Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Stadträte
Leitsatz (amtlich)
1. Eine für Ratsmitglieder und Mitglieder des Verwaltungsausschusses gezahlte Aufwandsentschädigung, die sowohl dem Ersatz von Aufwendungen als auch dem Ersatz von Verdienstausfall dient, ist als Einkommen im Sinne von § 11 Abs 1 S 1 SGB II zu berücksichtigen.
2. An einer Zweckbindung im Sinne von § 11a Abs 3 SGB II fehlt es jedenfalls dann, wenn das Ratsmitglied nach der Entschädigungssatzung weder tatsächlich noch rechtlich gehindert ist, die gezahlte Aufwandsentschädigung zur Deckung von Bedarfen nach dem SGB II einzusetzen.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die im Rahmen der Gewährung von unterhaltssichernden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Beklagten vorgenommene Berücksichtigung einer Aufwandsentschädigung für eine Stadtratstätigkeit als Einkommen.
Der 1962 geborene, arbeitslose und erwerbsfähige Kläger bewohnt in J. /K. eine Mietwohnung (L.), für die er eine Bruttowarmmiete von 396,55 € zu zahlen hat. Er beantragte bei dem Beklagten am 15. Januar 2015 erstmals Arbeitslosengeld II (Alg II) zum 1. Januar 2015 und legte diesbezüglich u.a. eine Bescheinigung der Stadt J. vom 9. Januar 2015 vor, laut der er für seine Tätigkeit als Ratsherr im Jahre 2014 eine Aufwandsentschädigung von 5.052 € (mtl. 421 €) erhielt. Dieser Betrag bezieht sich zum einen auf die Ratsmitgliedschaft des Klägers (mtl. 236 €), zum anderen auf seine Zugehörigkeit zum Verwaltungsausschuss (mtl.185 €). Darin enthalten ist ein Betrag von 732 € (mtl. 61 €) für die Bereitstellung der technischen Einrichtungen zur Nutzung des Ratsinformationssystems sowie der mit der laufenden Nutzung des Systems verbundenen Kommunikations- und Sachaufwendungen. Für den Posten “Verdienstausfall/Haushaltspauschale/Pauschale für Nachteile im Beruf„ werden 0 € aufgeführt (s. a. Mitteilung der Stadt J. vom 3. März 2016, Bl. 22 GA sowie die Entschädigungssatzung der Stadt J. vom 7. Dezember 2006 i.d.F. der letzten Änderung vom 10. Dezember 2009). Aus den vom Kläger vorgelegten Kontoauszügen wird ersichtlich, dass die Aufwandsentschädigung an ihn jeweils monatlich i.H.v 421 € überwiesen wurde.
Mit Bescheid vom 10. April 2015 gewährte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2015 unter Anerkennung der vollständigen Unterkunfts- und Heizkosten, eines Mehrbedarfs für Warmwasser (9,18 €) sowie des Regelbedarfs von 399 € Alg II i.H.v. 696,73 € monatlich (mit Ausnahme des Monats Februar 2015, für den ihm wegen einer Steuerrückerstattung lediglich 360,62 € gewährt wurden). Der Beklagte berücksichtigte hinsichtlich der Aufwandsentschädigung jeweils einen monatlichen Betrag von 360 € abzüglich eines Freibetrages von 200 € gem. § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II i.V.m. § 3 Nr. 12a Einkommensteuergesetz (EStG) und eines weiteren Freibetrages von 52 € gem. § 11b Abs. 3 Nr. 1 SGB II vorläufig als Einkommen.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein, mit dem er sich unter Verweis auf eine Entscheidung des Bundesozialgerichts (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 - B 14 AS 93/10 R - [zu § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II a.F.]) gegen die Anrechnung des nach Abzug der Freibeträge verbliebenen Betrages von 108 € als den Hilfebedarf minderndes Einkommen wandte. Bei der Aufwandsentschädigung für seine Tätigkeit als Ratsherr handele es sich um eine Einnahme aus öffentlichen Kassen, die für öffentliche Dienste zweckbestimmt sei.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2015 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, das BSG habe in der von dem Kläger herangezogenen Entscheidung eindeutig festgestellt, dass Aufwandsentschädigungen an ehrenamtlich tätige Bürgermeister und Stadträte keine gem. § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II a.F. (jetzt: § 11a Abs. 3 S. 1 SGB II) von der Einkommensanrechnung ausgenommenen zweckbestimmten Einnahmen seien. Da sie dem Ersatz von notwendigen Aufwendungen bzw. Auslagen und als Verdienstausfall dienten, handele es sich bei ihnen vielmehr dem Grund nach um Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Ein weiterer Zweck als die Sicherung des Lebensunterhalts wegen des Wegfalls anderweitiger Erwerbsmöglichkeiten werde hiermit nicht bezweckt. Wertungswidersprüche mit dem Steuerrecht, insbesondere § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG, ergäben sich hieraus nicht. In Abzug zu bringen seien von der i.H.v. 360 € monatlich zu berücksichtigenden Aufwandsentschädigung der Grundfreibetrag i.H.v. 100 € gem. § 11b Abs. 2 SGB II sowie der Erwerbstätigenfreibetrag gem. § 11b Abs. 3 SGB II i.H.v. 52 € (20 % 260 €). Fälschlicherweise sei in dem angefochtenen Bescheid zu Gunsten des Klägers der Grundfreibetrag i.H.v. 200 € berücksichtigt worden. Eine Verböserung im Widerspruchsverfahren sei jedoch nicht zulässig. Es werde eine Änderung des Bewilligungsbescheides e...