Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis bzw. Glaubhaftmachung des vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs zur Gewährung von Opferentschädigung
Orientierungssatz
1. Voraussetzung einer Opferentschädigung ist, dass der geltend gemachte vorsätzliche rechtswidrige tätliche Angriff entweder nachgewiesen oder glaubhaft gemacht ist.
2. Sind die Angaben des Geschädigten zum Ablauf des schädigenden Ereignisses nicht konstant, sondern unterschiedlich, so sind sie nicht in einer Weise als glaubhaft anzusehen, dass sie in Anwendung der Beweiserleichterung nach § 15 KOVVerfG i. V. m. § 6 Abs. 3 OEG der Entscheidung zugrunde gelegt werden können.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 30. September 2009 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über Beschädigtenversorgung nach § 1 OEG in Verbindung mit den Vorschriften des BVG.
Die 1958 geborene Klägerin betrieb bis zur Stellung eines Insolvenzantrages im Jahr 2001 in Thüringen ein Elektroinstallationsunternehmen. Ihren Hauptwohnsitz hatte sie zu dieser Zeit in Bayern, daneben eine Zweitwohnung in Sachsen-Anhalt.
Im Mai 2005 beantragte die Klägerin bei dem Versorgungsamt Braunschweig, das den Antrag zuständigkeitshalber an den Beklagten weiterleitete, Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Hierzu machte sie geltend, in der Zeit von Oktober 2000 bis Januar 2001 von ihrem damaligen Mitarbeiter I. J. (geboren am K. 1943, gestorben am 11. Mai 2003) massiv erpresst, genötigt, belästigt, gestalkt und sexuell genötigt worden zu sein. Als Folge seien bei ihr seelische Beeinträchtigungen und eine schwere Depression aufgetreten. Der Beklagte zog schriftliche Aussagen des Ehemannes der Klägerin, L., ihrer Kinder M. und N. sowie ihrer ehemaligen Angestellten O. bei. Die Klägerin übersandte ein Attest der sie behandelnden Allgemeinmedizinerin P. vom 4. November 2002, wonach sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit depressiver Erschöpfung leide, sowie zahlreiche, teilweise an sie gerichtete Schreiben des I. J..
Der Beklagte lehnte sodann den Antrag der Klägerin auf Beschädigtenversorgung mit Bescheid vom 5. September 2005 ab. In der Begründung führte er aus, dass ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG, d.h., ein gewaltsames Vorgehen gegen eine Person in feindseliger Absicht, nicht vorgelegen habe. Die behaupteten Belästigungen durch Herrn J. stellten einen solchen tätlichen Angriff nicht dar. Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass es sich bei den Belästigungen durch I. J. durchaus um tätliche Angriffe gehandelt habe. Am 12. November 2000 habe ihr J. in seiner Wohnung in Q. Tee angeboten. J. habe dem Tee offenbar Substanzen versetzt und sie in einen bewusstlosen Zustand versetzt. Sie sei erst am nächsten Morgen nur mit BH und Slip bekleidet aufgewacht. Dabei sei ihr Unterleib verklebt gewesen, und sie sei gefesselt gewesen. J. habe geäußert, er habe sie einfach nur in Ruhe anschauen und berühren wollen. Zugleich habe er sie mit einer Handwaffe bedroht. Sollte sie die Polizei einschalten oder sich anderen Personen anvertrauen, würde er Familienmitglieder von ihr töten. Am 27. Juli 2000 habe J. während einer Autofahrt von R. nach S. plötzlich seine Hand zwischen ihre Beine gelegt und sie unsittlich berührt. Sie sei daraufhin voller Schreck mit dem PKW auf einen Gehsteig gefahren. Am 4. Dezember 2000 habe ihr J. in dem Büro in T. plötzlich eine leere Spritze an den Hals gesetzt und ihr gedroht, er werde sie töten, wenn sie seine “grenzenlose Liebe„ nicht erwidere. Die Klägerin vertrat insoweit die Auffassung, dass sich die Schwere der Gewalttaten des J. deutlich daraus ergebe, dass sie als Folge unter einer chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung leide. Hierzu überreichte die Klägerin eine Bescheinigung der Psychologischen Psychotherapeutin U. vom 23. Juni 2005.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2006 wies daraufhin der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die von der Klägerin nunmehr behaupteten Taten des J. seien nicht nachgewiesen, denn die gehörten Zeugen hätten hierzu nichts berichtet. Eine Strafanzeige habe sie nicht erstattet. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung lasse nicht den zwingenden Rückschluss auf das Vorliegen eines Tatbestandes im Sinne des § 1 OEG zu.
Im nachfolgenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Braunschweig hat die Klägerin ihren Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG weiter verfolgt und dazu im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Dazu hat sie weitere ärztliche Befundunterlagen zu den Akten gereicht. Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. V. vom 13. Juni 2007 eingeholt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten eine chronische pos...