Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des Streitwertes in kassenärztlichen Zulassungssachen
Orientierungssatz
1. Der Streitwert bestimmt sich nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Streitsache. Maßgeblich ist dessen wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens.
2. Für die Streitwertbestimmung ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Klage rechtshängig geworden ist. Werterhöhende oder wertmindernde Rechtshandlungen sind zu berücksichtigen.
3. Ist in dem Rechtsstreit eines Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung streitig, wieviele Gastroskopien er künftig pro Quartal durchgeführt hätte, dann ist insoweit dessen bisheriges Leistungsvolumen pro Quartal zugrundezulegen.
4. In vertragsärztlichen Zulassungssachen ist der berücksichtigungsfähige Zeitraum auf einen solchen von drei Jahren begrenzt. Die Eingrenzung des hohen Kostenrisikos in Zulassungs- und vergleichbaren Streitverfahren infolge der Regelung in § 197 a SGG ist durch Art. 19 Abs. 4 GG geboten.
5. Der für einen Zeitraum von drei Jahren erzielbare Umsatz ist um den Praxiskostenanteil zu reduzieren. Abzustellen ist dabei auf die Kostenquote, die im Gesamtbundesdurchschnitt für diejenige Arztgruppe ausgewiesen ist, welcher der betroffene Vertragsarzt angehört.
6. Der gesetzliche Auffangwert ist nur dann festzusetzen, wenn eine individuelle Bemessung nicht möglich ist. Liegen für den maßgeblichen Leistungsbereich Umsatzzahlen vor, so ist hierauf zurückzugreifen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 03.11.2005 abgeändert.
Der Streitwert für das Verfahren S 9 KA 107/04 wird auf 9.935,00 Euro festgesetzt.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Dieses Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Beschwerde ist statthaft. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 Euro (§ 68 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz ≪GKG≫). Form und Frist sind gewahrt.
Die Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet.
Nach § 52 Abs. 1 GKG in der Fassung des Kostenmodernisierungsgesetzes vom 01.07.2004 (BGBl. I, 718) bestimmt sich die Höhe des Streitwertes nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Streitsache. Maßgebend ist grundsätzlich dessen wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens (Senatsbeschlüsse vom 26.03.2003 - L 10 B 2/03 KA - und 13.08.2003 - L 10 B 10/03 KA ER -), das durch Klageantrag und Klagebegründung präzisiert wird. Der Antrag des Klägers vor dem SG war darauf gerichtet, den Beschluss des Berufungsausschusses vom 14.05.2004 aufzuheben und diesen zu verpflichten, dem Antrag auf Genehmigung zur Durchführung von Gastroskopien zu entsprechen. Mit Urteil vom 28.06.2005 hat das Sozialgericht (SG) Dortmund die Klage (rechtskräftig) abgewiesen.
Für die Streitwertbestimmung ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Klage rechtshängig wurde (vgl. § 4 Zivilprozessordnung - ZPO). Werterhöhende oder wertmindernde Rechtshandlungen sind ggf. zu berücksichtigen.
Der Kläger hat nach eigenem Vorbringen in den drei Jahren bis zum 30.09.2003 je Quartal 50 bis 60 Gastroskopien durchgeführt. Das SG hat insoweit angenommen, dass das Interesse des Klägers darauf gerichtet war, diese Gastroskopien auch über den 30.09.2003 hinaus erbringen zu können. Demgegenüber meint der Kläger, angesichts der Bedarfsbedeckung müsse davon ausgegangen werden, dass er überhaupt keine oder nur noch in sehr geringem Umfang Gastroskopien durchgeführt hätte. Diesem Ansatz vermag der Senat nicht beizutreten. Das Vorbringen des Klägers ist insoweit spekulativ. Zutreffend ist allein, dass nicht verlässlich festgestellt werden kann, in welchem Umfang der Kläger Gastroskopien über den 30.09.2003 hinaus erbracht hätte, wenn seinem Antrag stattgegeben worden wäre. Es ist durchaus möglich, dass die Zahl der vom Kläger erbringbaren Gastroskopien aus den von ihm genannten Gründen gesunken wäre; gleichermaßen denkbar ist es, dass er sich in der Konkurrenzsituation zu anderen Ärzten durchgesetzt und weiterhin 50 oder mehr Gastroskopien/Quartal erbracht hätte.
Angesichts dieser Sachlage ist es nicht fehlerhaft, wenn das SG darauf abgestellt hat, dass der Kläger bis zum 30.09.2003 durchschnittlich 50 bis 60 Gastroskopien durchgeführt hat. Mangels besserer Erkenntnis ist davon auszugehen, dass er dieses Leistungsvolumen auch nach dem 30.09.2003 hätte erreichen wollen und können. Weitere Ermittlungen zur Klärung dieser Frage kommen nicht in Betracht, denn Beweiserhebungen im Rahmen der Kostenentscheidung sind grundsätzlich unzulässig (Strassfeld in Berliner Kommentare, SGG, 2. Auflage § 193 Rdn. 12 zur Kostengrundentscheidung).
Der vom SG zu Grunde gelegte Zeitraum von vier Jahren ist auf drei Jahre zu reduzieren. Nach bisheriger Rechtsprechung war in Zulassungssachen ein Zeitraum von fünf Jahren maßgebend (vgl. BSG vom 07.02.1984 - 6 RKa 6/82 - sowie vom 07.01.1998 - 6 Rka 84/95 - MedR 1998, 186 und 28.01.2000 - B 6 KA 22/99 R -; auch Senatsbeschluss vom 25.06....