Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 18.03.2024 aufgehoben, soweit der Antragsgegner verpflichtet wird, dem Antragsteller Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen zur Hälfte zu erstatten.
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin T. aus C. beigeordnet.
Gründe
I.
Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Aachen (SG), das ihn im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, vorläufig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) vom 01.03.2024 bis zum 31.05.2024 an den Antragsteller zu gewähren.
Der 0000 geborene Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger. Seit August 2021 studierte er in P. (Ukraine) an einer privaten Hochschule zwecks Erwerb eines Bachelor Computer Science. Im März 2022 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein und ist seit 15.03.2022 gemeldet (laut Meldebestätigung vom 22.08.2022) und beantragte am 24.08.2022 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Die Ausländerbehörde nahm die Informationen zu seiner Person auf und fertigte eine Kopie seines Reisepasses an. In der Ausländerakte befindet sich außerdem ein Lichtbild des Antragstellers. Mit Schreiben vom 20.02.2024 hörte die Ausländerbehörde den Antragsteller zur Versagung des Aufenthaltstitels und Androhung seiner Abschiebung an. Er sei mit einem Schutzgesuch aufgrund des Ukraine-Kriegs eingereist. Da er keine ukrainische Staatsangehörigkeit besitze, könne ihm vorübergehender Schutz im Sinne des EU-Ratsbeschlusses vom 04.03.2022 nur gewährt werden, wenn er nicht sicher und dauerhaft in sein Herkunftsland zurückkehren könne. Dafür gebe es keine Anhaltpunkte. Eine Entscheidung ist diesbezüglich noch nicht ergangen. Aktuell ist der Antragsteller Inhaber einer Fiktionsbescheinigung, gültig bis 05.08.2024, nach§ 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG mit dem Vermerk "Erlass des MKJFGFI v. 17.10.22 Beschäftigung bis zu 120 Tage oder 240 halbe Tage im Jahr sowie Ausübung studienfachbezogener Nebentätigkeit erlaubt".
Der Antragsteller bezog bis Ende 2022 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Mit Bescheiden vom 10.02.2023 und 15.02.2023 lehnte der Antragsgegner die Anträge des Antragstellers auf Leistungen nach dem SGB II vom 31.01.2023 und 06.02.2023 ab, weil der Antragsteller einen Anspruch auf Leistungen nach AsylbLG habe. Nachdem der Antragsteller eine weitere Fiktionsbescheinigung mit erlaubter Erwerbstätigkeit in eingeschränktem Umfang eingereicht hatte, bewilligte ihm der Antragsgegner mit Bescheid vom 28.02.2023 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20.03.2023 Leistungen von März bis August 2023. Dabei berücksichtigte er aufgrund eines ungenehmigten Umzuges lediglich die seiner Auffassung nach angemessene Bruttokaltmiete i.H.v. 495,50 EUR. Der Antragsteller war im März 2023 trotz Ablehnung der Zusicherung zum Umzug seitens des Antragsgegners in eine neue Wohnung in V. gezogen, für die er 420 EUR Kaltmiete und 110 EUR Heiz- und Betriebskosten (pauschal) monatlich zu zahlen hat.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 18.08.2023 bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 18.08.2023 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16.12.2023 Leistungen nach dem SGB II von August 2023 bis Februar 2024, zuletzt i.H.v. monatlich 1.141,45 EUR.
Mit Bescheid vom 21.02.2024 lehnte der Antragsgegner den Weiterbewilligungsantrag des Antragstellers vom 26.02.2024 ab. Er erfülle nicht die Voraussetzungen für den Bezug nach§ 74 SGB II in Verbindung mit§ 7 SGB II . Nach§ 74 SGB II erhielten Personen, die erkennungsdienstlich behandelt worden sind, eine Aufenthaltserlaubnis nach§ 24 Abs. 1 AufenthG beantragt haben und denen eine entsprechende Fiktionsbescheinigung nach§ 81 Abs. 5 AufenthG ausgestellt wurde, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "entsprechend" sei die Gesetzesintention heranzuziehen. Der Gesetzgeber habe bei der Einführung des§ 74 SGB II beabsichtigt, den Schutzsuchenden nach Beantragung des vorübergehenden Schutzes einen sofortigen und unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) habe in einem Schreiben vom 05.09.2022 an die für das Aufenthaltsrecht zuständigen Ministerien der Bundesländer unter Punkt 8.5 ausgeführt: "Mit den Neuregelungen im Aufenthaltsgesetz zum 1. Juni 2022 [...] wurde auch§ 24 Absatz 6 AufenthG gestrichen, der eine Regelung zur selbständigen Tätigkeit und zur unselbständigen Beschäftigung vorsah. Durch diese Streichung ist Aufenthaltstitelinhabern nach§ 24 Absatz 1 AufenthG nunmehr die Erwerbstätigkeit auch ausdrücklich gesetzlich uneingeschränkt erlaubt (§ 4a Absatz 1 Aufenth...