Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auskunftsanspruch nach § 60 SGB 2 bei Unterhaltsverzicht geschiedener Ehepartner. Unwirksamkeit. Umfang
Leitsatz (amtlich)
Der Auskunftsanspruch nach § 60 Abs 2 S 1 SGB 2 ist nicht vom Bestand eines Unterhaltsanspruchs anhängig.
Orientierungssatz
1. Die Vorschrift des § 116 Abs 1 S 2 BSHG begründet eine eigenständige Pflicht der Auskunftserteilung des Hilfebedürftigen zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen, so dass die Behörden ihre Auskunftsverlangen im Wege des Verwaltungsaktes geltend machen dürfen (vgl BVerwG vom 21.1.1993 - 5 C 22/90 = BVerwGE 91, 375 = FEVS 44, 184). Aufgrund der Vergleichbarkeit der Normen ist dieser Grundsatz auch auf den Auskunftsanspruch nach § 60 Abs 2 SGB 2 übertragbar.
2. Für einen Auskunftsanspruch nach § 60 Abs 2 S 1 SGB 2 ist bereits ausreichend, dass eine Unterhaltsverpflichtung in Betracht kommt, diese also nicht offensichtlich ausscheidet. Eine Unterhaltsverpflichtung kann auch dann in Betracht kommen, wenn eine Verzichtsvereinbarung unter geschiedenen Eheleuten auch für den Fall der Not vereinbart war.
3. Ein Unterhaltsverzicht kann gem § 138 BGB unwirksam sein, wenn er die Schädigung Dritter zur Folge hat. Dies ist anzunehmen für den Fall, dass der Fortfall des Unterhaltsanspruchs zwangsläufig zur Sozialhilfebedürftigkeit führt. Entsprechendes muss daher auch für die Bedürftigkeit nach dem SGB 2 gelten.
4. Der Auskunftsanspruch nach § 60 Abs 2 S 1 SGB 2 ist nicht von dem Einverständnis des Hilfebedürftigen abhängig.
5. Die Verpflichtung zur Vorlage von Belegen für das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs bzw einer Unterhaltspflicht iR des Auskunftsanspruchs nach § 60 Abs 2 S 1 SGB 2 folgt aus der Verweisung des § 60 Abs 2 S 3 SGB 2 auf § 1605 Abs 1 BGB.
Normenkette
SGB II § 60 Abs. 2 Sätze 1, 3; BSHG § 116 Abs. 1 S. 2; BGB §§ 138, 1605 Abs. 1
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 29.08.2007 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Klägerin wurde am 00.05.2006 von ihrem Ehemann, dem die Beklagte ab dem 01.09.2006 Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bewilligt hat, geschieden. Die Eheleute vereinbarten einen wechselseitigen Verzicht auf jeglichen Unterhalt auch für den Fall der Not. Unter Bezugnahme auf diesen Verzicht trat die Klägerin dem Auskunftsverlangen über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beklagten erfolglos entgegen (Bescheid vom 13.10.2006; Widerspruchsbescheid vom 02.07.2007).
Mit ihrer am 20.07.2007 vor dem Sozialgericht (SG) Köln erhobenen Klage verfolgt die Klägerin weiterhin ihre Auffassung, dass im Hinblick auf den wirksamen Unterhaltsverzicht ein Auskunftsanspruch der Beklagten nicht bestehe.
Das SG hat mit Beschluss vom 29.08.2007 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil ein Unterhaltsanspruch nicht offensichtlich ausgeschlossen sei.
Die dagegen gerichtete Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, ist zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil das Klagebegehren nicht die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht bietet (§ 73a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Wer jemandem, der eine Leistung nach dem SGB II beantragt hat oder bezieht, zu Leistungen verpflichtet ist, die geeignet sind, Leistungen nach diesem Buch auszuschließen oder zu mindern, oder wer für ihn Guthaben führt oder Vermögensgegenstände verwahrt, hat gem. § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II der Agentur für Arbeit auf Verlangen hierüber sowie über damit im Zusammenhang stehendes Einkommen oder Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist. Zu der nach seinem Regelungsgehalt entsprechenden Vorschrift des früher geltenden § 116 Abs. 1 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden, dass diese Vorschrift eine eigenständige öffentlich-rechtliche Pflicht zur Auskunftserteilung begründet und die Behörden ihre Auskunftsverlangen daher im Wege des Verwaltungsaktes geltend machen dürfen (BVerwGE 91, 375, 377). Der Auskunftsanspruch ist auch nicht vom Bestand des Unterhaltsanspruchs abhängig, ausreichend ist vielmehr, dass eine Unterhaltsverpflichtung in Betracht kommt, also nicht offensichtlich ausscheidet (BVerwG a.a.O.). Diese Grundsätze sind angesichts der Vergleichbarkeit der Normen auf den Auskunftsanspruch nach § 60 Abs. 2 SGB II übertragbar (vgl. Estelmann, SGB II, § 60 Rn 43; Schoch in LPK-SGB II § 60 Rn 24).
Ein solcher Ausschluss ist hier nicht offensichtlich, auch wenn die Verzichtsvereinbarung der Eheleute - anders als in dem der genannten Entscheidung des BVerwG zugrunde liegenden Sachverhalt - auch für den Fall der Not vereinbart worden ist (vgl. zur Möglichkeit einer solchen Regelung Brudermüller in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl. § 1585c Rn 7). Ein entsprechende...