Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe für Deutsche im Ausland durch einstweiligen Rechtsschutz. Außergewöhnliche Notlage
Orientierungssatz
1. Begehrt ein im Ausland lebender Deutscher im Weg einstweiligen Rechtsschutzes Sozialhilfe, muss er glaubhaft machen, dass er sich in einer außergewöhnlichen Notlage befindet, in der die begehrte Hilfe unabweisbar ist und ihm aus den in § 24 Abs. 1 SGB 12 genannten Gründen eine Rückkehr nach Deutschland nicht möglich ist.
2. Das Erfordernis der Notlage ist restriktiv auszulegen. Ein Leistungsanspruch besteht nur dann, wenn das Leben in Gefahr ist oder dem in Not Geratenen eine erhebliche Beeinträchtigung existenzieller Rechtsgüter droht.
3. Der Antragsteller muss besondere Anstrengungen nachweisen, die glaubhaft machen, dass ihm eine Rückkehr nach Deutschland unmöglich ist.
Normenkette
SGB XII § 24 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2 S. 1; Konsulargesetz § 5 Abs .6
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 21.10.2005 wird zurückgewiesen.
Kosten werden auch nicht im Beschwerdeverfahren erstattet.
Gründe
I. Der Antragsteller zu 1. ist ein 1957 in Bocholt geborener deutscher Staatsangehöriger, der seinen ständigen Wohnsitz in Managua (Nicaragua) hat.
Am 24.8.2005 stellte er einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach § 24 Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII). Eine Rückkehr nach Deutschland sei nicht möglich, weil er sich um seinen 1993 geborenen Sohn, der die nicaraguanische Staatsangehörigkeit besitzt, kümmern müsse. Er habe am 19.08.2005 vor den nicaraguanischen Behörden die Vaterschaft anerkannt. Die Mutter seines Sohnes, mit der er nicht verheiratet sei, lebe von ihm getrennt. Sie würden noch bis Januar 2006 gemeinsam eine Wohnung nutzen. Sie stimme jedoch der Ausreise seines Sohnes, des Antragstellers zu 2., nicht zu. Hierzu legte der Antragsteller zu 1. eine von einem nicaraguanischen Notar ausgefertigte Urkunde vor. In dieser Urkunde hieß es nach der deutschen Übersetzung, sie (die Mutter) fordere von der Ausländerbehörde eine Ausreiseverhinderung des Herrn M. (im Original "senor M."). Der Antragsteller zu. 1. machte geltend, dass es sich um einen Schreibfehler handele und es besser heißen müsse "minderjährigen M.". Die deutsche Botschaft in Managua, bei der der Antragsteller zu 1. den Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen gestellt hatte, äußerte Zweifel, dass es sich um einen Tippfehler handele. Die Mutter des Kindes habe notariell erklärt, gegen den Antragsteller zu 1. eine Ausreisesperre verhängen zu lassen. Dies sei in Nicaragua ein durchaus übliches Mittel, um die Fluchtgefahr eines potenziellen Verfahrensgegners einzudämmen.
Mit Bescheid vom 29.11.2005 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 23.09.2005 den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII ab.
Gegen den am 06.10.2005 zugestellten Bescheid legte der Antragsteller zu 1. mit Schreiben vom 15.10.2005 Widerspruch ein. Es gebe keinen Streit um das Sorgerecht. Die Eltern seien sich einig, dass der Antragsteller zu 2. bei ihm, dem Antragsteller zu 1., wohne, solange jener Mutter und Großeltern zu Geburtstagen und sonstigen Feiertagen besuchen könne. Die Mutter seines Sohnes wolle dessen Ausreise verhindern. Die Übersetzung mache deutlich, dass es sich um einen Tippfehler handele. Der Notar habe statt "menor" "senor" geschrieben. Eine Ausreiseverhinderung gegen ihn sei unmöglich. Er befinde sich in einer außergewöhnlichen Notlage. Seine Mutter, die über ein bescheidenes Einkommen verfüge, könne ihn nicht weiter unterstützen. Er habe keine medizinische Versorgung, müsse wegen Depressionen die Hilfe eines Psychologen in Anspruch nehmen und könne die notwendigen Medikamente nicht bezahlen. Eine mögliche Mageninfektion sei festgestellt worden. Zur Kontrolle des Diabetes Mellitus II benötige er einen Glukosemesser. Er beantrage auch den vollen Regelsatz für seinen Sohn, Anmeldegebühren für den Schulbesuch sowie eine Mietkaution in Höhe von 175,- EUR.
Die Antragsteller haben am 11.10.2005 bei dem Sozialgericht Münster um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Bisher habe er praktisch durch die finanzielle Unterstützung seiner Mutter überlebt. Diese sei nicht mehr in der Lage, ihm eine Hilfe bis zu 250,- EUR monatlich zukommen zu lassen. Augenblicklich sei die Mutter seines Kindes noch bereit, ihn und seinen Sohn vorläufig in ihrer Wohnung unterzubringen. Sie sei aber nicht in der Lage, sie zu versorgen. Die Situation sei sehr konfliktiv und belastend. Er beantrage den Regelsatz für den Antragsteller auf nicht weniger als in Höhe von 80% festzusetzen, eine Mietpauschale von 175,- EUR monatlich zu gewähren, eine Mietkaution von 175,- EUR als Darlehen zu gewähren, die tatsächlichen Kosten für Strom und Wasser zu übernehmen, den Mehrbedarf für Alleinerziehende bei 30 % des Regelsatzes festzulegen, für den Antragsteller zu 2. den vollen Regelsatz zu bewilligen, Anmeldegebühren für die Schule in Höhe von 150,- EUR als Darlehen zu gewähren, bei evtl. Obd...