Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei ungeklärter Zustellung des angefochtenen Bescheides
Orientierungssatz
1. Voraussetzung für eine Minderung der Grundsicherungsleistung ist nach § 32 Abs. 1 SGB 2, dass der Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung des Leistungsträgers, sich bei ihm zu melden, nicht erscheint.
2. Bei der Meldeaufforderung handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Die Beweislast für dessen Zugang hat der Grundsicherungsträger, vgl. BSG, Urteil vom 03. Juni 2004 - B 11 AL 71/03R.
3. Einer Dokumentation des Leistungsträgers als Grundlage eines Anscheinsbeweises kommt nur dann rechtlich relevante Bedeutung zu, wenn das ordnungsgemäße Zustellverfahren von dem Zusteller eingehalten worden ist.
4. Handelt es sich bei der bewirkten Zustellung nicht um eine förmliche Zustellung i. S. der Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes und trägt der Adressat vor, er habe das maßgebliche Schreiben nicht erhalten, so ist bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 08.06.2012 abgeändert und dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. D, E, bewilligt.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren.
Der Kläger steht im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Der Beklagte händigte dem Kläger eine Aufforderung zur Meldung am 18.10.2011 aus. Der Kläger nahm diesen Termin jedoch nicht wahr, weswegen der Beklagte mit Schreiben vom 18.10.2011 den Kläger wegen einer beabsichtigten Sanktion anhörte und eine Folgeeinladung für einen Termin am 31.10.2011, 07:30 Uhr aussprach.
Nachdem der Kläger auch den Termin am 31.10.2011 nicht wahrgenommen hatte, erließ der Beklagte am 14.12.2011 einen Sanktionsbescheid, durch welchen die Leistungen des Klägers nach dem SGB II in Höhe von 10% des maßgeblichen Regelbedarfs gekürzt wurde. Der Minderungsbetrag belief sich auf monatlich 37,40 EUR.
Zur Begründung gab der Beklagte an, der Kläger sei trotz Kenntnis der Rechtsfolgen zu einem Meldetermin am 31.10.2011 ohne wichtigen Grund nicht erschienen.
Hiergegen hat der Kläger am 13.01.2012 Widerspruch mit der Begründung eingelegt, er habe die Einladung nicht erhalten. Beim Sozialgericht stellte er überdies einen Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Das Sozialgericht gab diesem Antrag mit Beschluss vom 21.02.2012 (S 17 AS 157/12 ER SG Duisburg) statt. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, zwar habe die X Post GmbH die Zustellung bestätigt, dieser Bestätigung lasse sich jedoch nicht entnehmen, dass das Schreiben tatsächlich in den Briefkasten des Klägers eingelegt worden sei. Eine förmliche Zustellung sei damit nicht nachgewiesen. Eine solche sei zwar gesetzlich auch nicht vorgeschrieben, werde aber der ordnungsgemäße Zugang bestritten, sei der Beweis des Zugangs durch den Beklagten zu führen. Dem sei der Beklagte bislang nicht hinreichend nachgekommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2012 (W 221/12) wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14.12.2011 zurück. Die Einladung vom 18.10.2011 für den 31.10.2011 sei als Einwurfeinschreiben versandt worden. Der Zugang dieses Einwurfeinschreibens sei am 20.10.2011 durch die X Post GmbH bewirkt worden.
Am 21.03.2012 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Duisburg eingelegt. Zur Begründung hat er zunächst auf die Entscheidung des SG Duisburg vom 21.02.2012 verwiesen. Daneben komme es vorliegend nicht auf die Zustellung, sondern auf die Kenntnisnahme an. Diese Kenntnis habe der Kläger nicht nehmen können, da er die Nachricht nicht erhalten habe. Dies könne daran liegen, dass jemand den Brief aus dem Briefkasten genommen habe. Dieser sei defekt gewesen und habe sich ohne großen Widerstand öffnen lassen. Hierüber habe er sich bei seinem Vermieter und der Hausverwaltung beschwert. Von dort sei jedoch keine Abhilfe geschaffen worden. Er habe in der Vergangenheit sämtliche Post von dem Beklagten erhalten und hierauf auch reagiert.
Er hat beantragt,
den Bescheid vom 14.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2012 (W 221/12) aufzuheben.
Darüber hinaus hat er beantragt,
ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. D, E, zu bewilligen.
Der Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, die Sanktion sei rechtmäßig.
Mit Beschluss vom 08.06.2012, dem Kläger zugegangen am 18.06.2012, hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Hiergegen hat der Kläger am 22.06.2012 Beschwerde beim Sozialgericht eingelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V...