Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Pflegequalität. Streit über die Ergebnisse der Qualitätsprüfung. Transparenzbericht. einstweiliger Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung. Verfassungsmäßigkeit von § 115 Abs 1a SGB 11. keine offensichtliche Unrichtigkeit
Orientierungssatz
1. § 115 Abs 1a S 6 SGB 11 verstößt nicht gegen Art 80 Abs 1 S 1 GG, denn er enthält keine verfassungswidrige Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen.
2. Darin, dass der Gesetzgeber gem § 115 Abs 1a SGB 11 die Regelung hinsichtlich der Kriterien der Veröffentlichung einschließlich der Bewertungssystematik den in dieser Norm genannten Verbänden sowie den Trägern der Pflegeeinrichtungen überlassen hat, liegt kein Verstoß gegen die vom Bundesverfassungsgericht sowohl aus dem Demokratie- als auch aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Wesentlichkeitstheorie.
3. Die Veröffentlichung eines Transparenzberichts ist als grundrechtsspezifische Einwirkung auf die von Art 12 Abs 1 GG geschützte unternehmerische Betätigungsfreiheit zu qualifizieren, die zumindest die Marktchancen der Einrichtungsträger beeinflusst. Es handelt sich von der Eingriffsintensität her um eine Berufsausübungsregelung und damit nach der Drei-Stufen-Theorie des BVerfG um einen Eingriff auf der untersten Intensitätsstufe, so dass die Anforderungen an eine Rechtfertigung geringer sind.
4. In der Zukunft liegende Chancen und Verdienst- bzw Absatzmöglichkeiten (hier: Aufnahme neuer Pflegebedürftiger) stellen keine schützenswerte Rechtsposition iS von Art 14 Abs 1 GG dar.
5. Die Veröffentlichung eines Transparenzberichts ist unzulässig, wenn die Bewertung den Boden der Neutralität, der Objektivität und der Sachkunde verlassen hat, insbesondere bei offensichtlichen oder sogar bewussten Fehlurteilen, bewussten Verzerrungen, der Behauptung unwahrer Tatsachen, willkürlichem Vorgehen und Schmähkritik.
6. Um einen Anordnungsgrund im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes glaubhaft zu machen, ist darzulegen, welche Nachteile zu erwarten sind, wenn auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen wird. Ein wesentlicher Nachteil liegt nur vor, wenn der Träger der Pflegeeinrichtung konkret in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht ist oder ihm sogar die Vernichtung der Lebensgrundlage droht. Auch erhebliche wirtschaftliche Nachteile, die entstehen, wenn das Ergebnis eines langwierigen Verfahrens abgewartet werden müsste, können ausreichen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 25.01.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin (Ast) wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Veröffentlichung eines Transparenzberichts durch die Antragsgegner (AG).
Die ASt ist Trägerin des Katholischen Alten- und Pflegeheimes St. N-Stift in C, einer zugelassenen vollstationären Pflegeeinrichtung. Am 17.08.2009 führte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe (MDK), N, im Auftrag der AG bei dieser eine Qualitätsprüfung nach §§ 114 ff SGB XI durch. Mit Schreiben vom 01.09.2009 übersandten die AG der ASt den entsprechenden Prüfbericht und gaben ihr Gelegenheit, zu den festgestellten Mängeln bis zum 30.09.2009 Stellung zu nehmen. Dem kam die Ast mit Schreiben vom 07.10.2009 nach.
Mit Bescheid vom 15.10.2009 ordneten die AG Maßnahmen zur Beseitigung der Qualitätsdefizite sowie zur Sicherung der Qualität der Pflegeeinrichtung an, die sofort, spätestens aber bis zum 31.03.2010 umzusetzen seien. Hiergegen erhob die ASt am 13.11.2009 beim Sozialgericht (SG) Dortmund Klage (S 12 P 200/09). Dem Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, gab das SG mit Beschluss vom 25.01.2010 (S 12 P 217/09 ER) statt. Die von den AG des dortigen Verfahrens erhobene Beschwerde wird beim erkennenden Senat unter dem Az.: L 10 B 33/10 P ER geführt.
Der von der Ast am 10.12.2009 zur Kenntnis genommene Transparenzbericht weist als rechnerisches Gesamtergebnis aus dem Mittelwert der Punktebewertung der 64 Einzelkriterien die Note "Befriedigend" (2,9) aus. Der Qualitätsbereich "Pflege und medizinische Versorgung" erhielt danach die Note "Befriedigend" (2,9), der Bereich "Umgang mit demenzkranken Bewohnern" die Note "Mangelhaft" (4,6), der Bereich "Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung" die Note "Befriedigend" (3,4) und der Qualitätsbereich "Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene" die Note "Sehr Gut" (1,0). Als Ergebnis der Befragung der Bewohner der Pflegeeinrichtung erhielt die Ast die nicht in das Gesamtergebnis einfließende Note "Sehr Gut" (1,3).
Am 23.12.2009 hat die ASt beim SG Dortmund den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit der sie sich gegen die Veröffentlichung des Transparenzberichts wendet. Der Bericht sei formell und materiell rechtswidrig. Er basiere auf einem Qualitätsprüfbericht des MDK, der seinerseits auf nicht ordnungsgemäß in Kraft gesetzten Richtlinien beruhe. Schon das gesetzlich vo...