Entscheidungsstichwort (Thema)

Übernahme von Mietschulden durch einstweiligen Rechtsschutz

 

Orientierungssatz

Die Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs 5 SGB 2 durch einstweiligen Rechtsschutz kommt bei fristloser Kündigung und Aufforderung zur Räumung durch den Vermieter dann nicht in Betracht, wenn der Vermieter zu erkennen gibt, dass er kein Interesse mehr an der Fortsetzung des Mietverhältnisses hat. In diesem Fall ist die Übernahme der Mietrückstände nicht geeignet, drohende Wohnungslosigkeit zu vermeiden.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 02.05.2008 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.03.2008, der die Leistungen für die Antragstellerin zu 2) für den Zeitraum vom 01.04.2008 bis zum 30.06.2008 absenkt, wird angeordnet. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.03.2008 wird angeordnet, soweit dieser die Regelleistung der Antragstellerin zu 2) ab April 2008 um mehr als 31 EUR absenkt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 02.05.2008 ist teilweise begründet.

I.

Das Sozialgericht (SG) hat zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, soweit die Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe, die Nachzahlung der Nebenkosten für 2007 und die Mietschulden zu übernehmen, begehren.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).

Ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG, die er sich nach Prüfung zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

In Bezug auf die von den Antragstellern geltend gemachte Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung ergibt sich auch keine andere Beurteilung unter Berücksichtigung des Vortrages im Beschwerdeverfahren. Danach hat die Vermieterin das Mietverhältnis nach § 543 Abs. 1 und 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) fristlos gekündigt, zur Räumung bis zum 15.06.2008 aufgefordert und vorsorglich ergänzend das Mietverhältnis fristgerecht zum 31.08.2008 gekündigt. Zwar ist nach diesem Vortrag davon auszugehen, dass ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht ist. Ein Anordnungsanspruch ist jedoch nicht gegeben. Die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft kann auch nicht auf § 22 Abs. 5 SGB II gestützt werden. Danach können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn eine Übernahme von Mietschulden aufgrund aufgelaufener Mietrückstände und einer darauf bezogenen fristlosen Kündigung kommt dann nicht in Betracht, wenn der Vermieter zu erkennen gibt, dass er kein Interesse mehr an der Fortsetzung des Mietverhältnisses hat. Denn in diesem Fall ist die Übernahme der Mietrückstände nicht geeignet, drohende Wohnungslosigkeit zu vermeiden (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, Komm. zum SGB II, 2. Aufl. 2008, § 22 Rn. 109; LSG Hessen, Beschluss vom 26.10.2005 - L 7 AS 65/05 ER -). Die Vermieterin hat am 28.05.2008 einer Fortsetzung des Mietverhältnisses ausdrücklich widersprochen. Zudem kommt eine Übernahme der tatsächlichen Kosten für die Unterkunft und Heizung über die Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II auch deswegen nicht in Betracht, da über diese Regelung nicht letztendlich die Sicherung einer nicht angemessenen Unterkunft und damit eine Aushebelung der Regelung des § 22 Abs. 1 SGB II vorgenommen werden soll (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.04.2008 - ...

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