Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Erfolgsaussicht in der Hauptsache zur Bewilligung von einstweiligem Rechtschutz - Versicherungspflicht bzw. -freiheit des Geschäftsführers einer GmbH
Orientierungssatz
1. Bei der Bewilligung von einstweiligem Rechtschutz gilt der Maßstab der erforderlichen Wahrscheinlichkeit des Obsiegens allein für die Frage, ob der Antragsteller im Hauptsacheverfahren mit seinem Begehren voraussichtlich Erfolg haben wird.
2. Für die Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Geschäftsführer einer GmbH ist grundsätzlich der Nachweis einer bestehenden Sperrminorität erforderlich.
3. Insoweit kommt dem Ergebnis einer durchgeführten Betriebsprüfung kein Vertrauensschutz zu. Betriebsprüfungen haben nur den Zweck, die Beitragsentrichtung im Interesse der Versicherungsträger und der Versicherten sicherzustellen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 28.9.2020 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 24.528,28 Euro festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 28.09.2020 ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 30.4.2020 zu Recht abgelehnt. Gleichermaßen ist auch eine aufschiebende Wirkung der vor dem SG erhobenen Klage (Az. S 41 BA 199/20) gegen den mittlerweile ergangenen Widerspruchsbescheid vom 24.9.2020 nicht anzuordnen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden und ausführlichen Gründe der angefochtenen Entscheidung des SG Bezug, denen er sich vollinhaltlich anschließt (vgl. § 142 Abs. 2 S. 3 SGG).
Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
Soweit sie meint, die Frage einer etwaigen früheren Befreiung ihrer Geschäftsführer B H (im Folgenden: H) und T J (im Folgenden: J) von der Versicherungspflicht dürfe nicht - wie vom SG - unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes geprüft werden, vermag dies ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Auch bei Prüfung an anderer Stelle ergibt sich eine von der Antragstellerin mit diesem Vorbringen gewünschte günstigere Beweislastverteilung nicht. Vielmehr vermischt sie irrig die Maßstäbe eines Eilverfahrens mit den allgemeinen Beweislastregeln. So kann aus einer - von ihr angenommenen - überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass in den Jahren 2000/2002 Feststellungsbescheide zur Versicherungsfreiheit von H und J erteilt worden seien, nicht - wie sie meint - unmittelbar auf die Begründetheit des Eilantrags geschlossen werden. Der Maßstab der Wahrscheinlichkeit gilt im Eilverfahren (allein) für die Frage, ob der Antragsteller im Hauptsacheverfahren mit seinem Begehren voraussichtlich Erfolg haben wird (vgl. im Einzelnen z.B. Senatsbeschl. v. 12.2.2020 - L 8 BA 157/19 B ER - juris Rn. 5 m.w.N.). Solche (wahrscheinlichen) Erfolgsaussichten bestehen für die Antragstellerin nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage gerade nicht. Liegen die Voraussetzungen der Versicherungspflicht - wie hier vom SG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Recht dargelegt - dem Grunde nach vor, kann dem entgegenstehend Versicherungsfreiheit nur dadurch begründet werden, dass eine solche Versicherungsfreiheit für die konkrete, jetzt zu beurteilende Tätigkeit, in früheren Bescheiden festgestellt worden ist (vgl. BSG Urt. v. 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - juris Rn. 30 m.w.N.). Beruft sich die Antragstellerin auf derartige, für sie günstige Statusentscheidungen aus der Vergangenheit, trifft sie die materielle Beweislast für deren Vorliegen. Die Nichterweislichkeit einer Tatsache geht grundsätzlich zu Lasten des Beteiligten, der hieraus ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil herleiten will (vgl. z.B. BSG Urt. v. 6.10.2020 - B 2 U 9/19 R - juris Rn. 31 m.w.N.; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 103 Rn. 19a m.w.N.; Mushoff, in jurisPK-SGG, § 103 Rn. 85 m.w.N.). Der Beweis muss dabei zur vollen Überzeugung des Gerichts erbracht werden, das Vorliegen der relevanten Tatsache entsprechend mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen (vgl. z.B. BSG Urt. v. 6.10.2020 - B 2 U 9/19 R - juris Rn. 26; Urt. v. 17.4.2013 - B 9 V 1/12 R - juris Rn. 33 m.w.N.). Nach dem derzeitigen Sachstand liegen Verwaltungsakte der Einzugsstellen über eine Versicherungsfreiheit von H und J weder diesen noch der Antragstellerin oder H und J selbst vor. Da weitere Ermittlungsmöglichkeiten fehlen, ist auch nicht davon auszugehen, dass solche Bescheide im Hauptsacheverfahren beigebracht werden können und sich die Beweislage zugunsten der Antragstellerin ändert. Ist dies aber nicht wahrscheinlich, ist es ebenso wenig wahrscheinlich, dass sich die angefochtenen Bescheide...