Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarzt. einstweiliger Rechtsschutz gegen die Vollziehung eines Honorarrückforderungsbescheid einer Kassenärztlichen Vereinigung. Glaubhaftmachung des hierzu erforderlichen Anordnungsgrundes. Existenzgefährdung

 

Orientierungssatz

1. Wendet sich der Vertragsarzt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Vollziehung eines Honorarrückforderungsbescheides, so hat er zur Glaubhaftmachung des hierzu erforderlichen Anordnungsgrundes darzulegen, dass er personelle und organisatorische Effizienzoptimierungsmaßnahmen ausgeschöpft hat, unmittelbar von Insolvenz bedroht ist oder die Schließung, zumindest aber eine nennenswerte Einschränkung seines Praxisbetriebs zu befürchten hat.

2. Soweit der Vertragsarzt aus anderem Rechtsgrund, zB aus Unterhaltspflichten, zu Leistungen verpflichtet ist, so fallen diese in seine persönliche Sphäre und können deswegen im Rahmen der Prüfung des Anordnungsgrundes nicht dem Regress- bzw Rückzahlungsanspruch entgegengehalten werden.

 

Normenkette

SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 86a Abs. 2 Nr. 1; ZPO § 294

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 01.10.2015 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 40.010,97 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Vollziehung eines Honorarrückforderungsbescheides in Höhe von 266.739,82 EUR.

Er ist als Facharzt für Innere Medizin unter Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Zeitweise führte er die Praxis mit Dr. (H) C und Dr. T in einer unter den Beteiligten im Einzelnen nach Rechtsnatur und Zeit umstrittenen Kooperationsform.

Mit Bescheid vom 28.01.2015 berichtigte die Antragsgegnerin die Honorar-/Abrechnungsbescheide der Quartale IV/2008 bis III/2014, hob diese wegen Implausibilität teilweise auf und forderte Honorar in Höhe von insgesamt 266.739,82 EUR wegen Missbrauchs der Kooperationsform zurück. Dabei ging sie davon aus, dass die Praxis des Antragstellers mit jener von Dr. (H) C seit dem 01.10.2008 eine versorgungsbereichsidentische Praxisgemeinschaft bilde und beide bis zum 31.09.2008 als Gemeinschaftspraxis niedergelassen gewesen seien. Die Abrechnungen beider Praxen seien unplausibel. Das Abrechnungsverhalten erfülle die Aufgreifkriterien nach § 11 Abs. 1 der Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen, da die beiden hausärztlich tätigen Praxen in jedem Quartal Patienten gemeinschaftlich hausärztlich betreut hätten. Es ergäben sich Patientenidentitäten je Quartal und Praxis zwischen 27,69 % bis 63,41 %. Mit Schreiben vom 29.01.2015 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass die zurückgeforderte Summe sofort fällig sei. Von den Teil- und Restzahlungen würden jeweils 40 % abgezogen.

Gegen den Bescheid legte der Antragsteller am 05.02.2015 Widerspruch ein. Das Widerspruchsverfahren ist nach Aktenlage nicht beendet.

Am 20.04.2015 hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und vorgetragen: Der Honorarrückforderungsbescheid sei rechtswidrig. Er verstoße gegen die vierjährige Ausschlussfrist. Vertrauensschutz sei anzuerkennen. Er habe weder grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht, noch sei der Fehler ohne weiteres erkennbar gewesen. Die Antragsgegnerin habe in der Zeitschrift "Pluspunkt" im Januar 2008 Hinweise gegeben, was zu tun sei, wenn eine Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft umgewandelt werde. Hiervon rücke sie nunmehr ab, wenn sie keinerlei echte Vertretungsfälle aufgrund krankheitsbedingter Abwesenheit oder Urlaub, die 20 % überschritten, anerkenne. Die Rückforderung sei auch wegen eines Verstoßes gegen die Jahresfrist gemäß § 45 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ausgeschlossen. Die Antragsgegnerin habe spätestens am 30.07.2012 Kenntnis von den die Rückforderung begründenden Tatsachen gehabt. Sie habe auch das vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten, insbesondere habe sie ihn nicht ordnungsgemäß angehört. Sie habe den zugrundeliegenden Sachverhalt fehlerhaft ermittelt im Hinblick auf die Entwicklung der Praxiskonstellation, die Anschrift und Telefonnummer, das PC-System und die Einlesedaten der Versichertenkarten. Bei einem Vertretungsfall liege keine Doppelbehandlung vor. Die Behauptung, dass hohe Vertretungsfrequenzen nur durch eine missbräuchliche Gestaltung entstanden sein könnten, sei nicht nachvollziehbar. Die Rückforderungssumme sei fehlerhaft berechnet. Eine Überprüfung des Berechnungsweges sei nicht möglich, weil aus den mitgeteilten Zahlen nicht hervorgehe, welche Patientenidentitäten der Berechnung zugrundelägen. Die Vollziehung des Bescheides stelle eine unzumutbare Härte für ihn dar, da auch unter Ausnutzung seines Privateinkommens nur von einer außerordentlich begrenzten Zeitachse auszugehen sei, bis eine Insolvenz drohe.

Der Antragsteller hat beantragt,

1. die aufschiebende Wirkun...

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