Orientierungssatz
1. Für einen Anspruch auf Übernahme der Altschulden aus früherem Strombezug im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Weder § 34 SGB 12 noch § 23 SGB 2 greifen direkt oder in entsprechender Anwendung ein. Sonstige Anspruchsgrundlagen auf Begleichung privater Altschulden durch die öffentliche Hand kommen nicht in Betracht.
2. Gem §§ 1, 3 SGB 12 iVm Art 13 GG und § 33 Abs 2 S 2 AVBEltV hat der kommunale Träger für eine Aufhebung der Stromsperre bzw Strombelieferung Sorge zu tragen. Der kommunale Träger muss als Träger der Sozialhilfe auch bei seinem Handeln als Mehrheitsgesellschafter eines privatrechtlich verfassten Energieversorgungsunternehmens die für ihn geltenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen durchsetzen. Er muss bewirken, dass das von ihm rechtlich beherrschte Stromversorgungsunternehmen seine vorhandene faktische Marktmacht im Versorgungsgebiet nicht missbräuchlich zu Lasten der Empfänger und Träger von Sozialhilfeleistungen ausübt, und er muss sicherstellen, dass bei einem Geltendmachen des Zurückbehaltungsrechts iS des § 33 Abs 2 S 2 AVBEltV das dort speziell verankerte Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt wird. Die weitere Belieferung ist auch nicht wirtschaftlich unzumutbar, wenn in entsprechender Anwendung des § 23 Abs 4 SGB 2 iVm § 22 Abs 4 SGB 2 die direkte Zahlung der monatlichen Abschläge an den Stromversorger zugesagt wurde.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 14.06.2005 geändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, einen Eilbeschluss der Gesellschafterversammlung der Beigeladenen zu 2) mit folgendem Inhalt herbeizuführen: "Die Beigeladene zu 2) beliefert den Antragsteller zu 1) in dessen Wohnung erneut mit Strom und macht ihm gegenüber kein Zurückbehaltungsrecht wegen rückständiger Stromkosten geltend, solange die Beigeladene zu 1) die Zusage der Erfüllung fälliger Abschlagsforderungen i.H.v. 100 EURO monatlich für die künftige Lieferung von Strom an den Antragsteller zu 1) nicht widerruft oder ein anderer Sozialleistungsträger Abschläge in dieser Höhe an die Beigeladene zu 2) erbringt."
2. Bis zur Stromfreischaltung der Wohnung der Antragsteller durch die Beigeladene zu 2) oder einen anderen Stromversorger wird der Antragsgegner verpflichtet, den Antragstellern zu 1) bis 3) innerhalb der Stadtgrenzen ihrer Heimatgemeinde als Sachleistung möblierten Wohnraum mit eigenem Bad sowie eigener Küche zur Verfügung zu stellen und die für Heizen, Kochen und Waschen erforderlichen Strom-, Wasser- und ggf. Gaslieferungen sicherzustellen.
3. Im Übrigen wird der Antrag der Antragsteller auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen.
4. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
. Die Beteiligten streiten um die Übernahme rückständiger Stromkosten und um die erneute Belieferung mit Strom.
Der Antragsteller zu 1) ist der Vater der (volljährigen) Antragsteller zu 2) und 3). Sie leben gemeinsam in einer Wohnung, deren Mieter der Antragsteller zu 1) ist und die im Gebiet der Stadt X liegt. Zusammen erhalten die Antragsteller zu 1) bis 3) derzeit von der Beigeladenen zu 1) monatliche Zahlungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Höhe von insgesamt 1035 EURO als Regelleistung. Die Beigeladene zu 2) ist die regionale Stromversorgerin in der Stadt X. Ihr Stammkapital von insgesamt rund 20,7 Mio EURO wird zu rund 11,7 Mio EURO vom Antragsgegner, zu rund 5,3 Mio EURO bzw. 2,3 Mio., 0,6 Mio. EURO und 0,05 Mio. EURO von den Städten H., W., A. und B. gehalten. Weitere 0,3 Mio. EURO Stammkapital befinden sich im Besitz der Städtischen W. F GmbH. Ferner sind je 1090 EURO Gesellschaftskapital durch eine nicht-städtische GmbH und eine Privatperson eingebracht. Der Antragsteller zu 1) hat aus früherer Lieferung von Strom und fälligen Abschlagszahlungen bei der Beigeladenen zu 2) Schulden in Höhe von 2627,76 EURO. Deswegen stellte die Beigeladene zu 2) die weitere Lieferung von Strom unter vorheriger Mahnung und Hinweis auf eine mögliche Versorgungseinstellung nach Abwarten einer Frist von zwei Wochen mit Wirkung ab dem 18.05.2005 ein.
Am 30.05.2005 beantragten die Antragsteller die Übernahme der Stromschulden bei der Beigeladenen zu 1). Dort wurden sie an den Antragsgegner verwiesen. Der Antragsgegner lehnte das Begehren der Antragsteller durch Bescheid vom 31.05.2005 mit der Begründung ab, Leistungen des SGB II seien vorrangig.
Am selben Tag haben die Antragsteller bei dem Sozialgericht (SG) Aachen im einstweiligen Rechtsschutz um die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der Stromschulden nachgesucht. Das SG hat dem Antrag durch Beschluss vom 14.06.2005 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Ein Anordnungsanspruch ergebe sich aus § 34 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII); die Norm sei anwendbar, denn § 22 Abs. 5 SGB II beschränke die Übernahme von Schulden zu Lasten der Träger von Leistungen für Arbeitssuchende ausdrücklich auf Mietschul...