Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Streitwertfestsetzung. Vertragsarztverfahren. Sonderbedarfszulassung. einstweiliges Rechtsschutzverfahren einschließlich eines etwaigen Beschwerdeverfahrens. wirtschaftliches Interesse. Zweijahreszeitraum
Orientierungssatz
1. Das wirtschaftliche Interesse wird bei einer unbefristeten Sonderbedarfszulassung durch die Höhe der in einem bestimmten Zeitraum zu erzielenden Einnahmen bestimmt.
2. Für die Wertberechnung ist ein (fiktives) Hauptsacheverfahren zu Grunde zu legen und insoweit die Länge des Zeitraums zu schätzen, die bis zum Abschluss des rechtskräftigen Hauptsacheverfahrens typischerweise zu erwarten ist. Ein Abschlag kommt wegen des besonderen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzes nicht in Betracht.
3. In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren (einschließlich eines etwaigen Beschwerdeverfahrens) ist grundsätzlich ein Zeitraum von insgesamt zwei Jahren anzusetzen, da ein höheres Kostenrisiko im Hinblick auf Art 19 Abs 4 GG nicht vertretbar wäre. Zeitlicher Bemessungsfaktor für den Streitwert des Beschwerdeverfahrens ist mithin ein Jahr.
Gründe
Nach §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in der Fassung des Kostenmodernisierungsgesetzes vom 05.05.2004 (BGBl. I, 718) bestimmt sich die Höhe des Streitwertes nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Streitsache. Maßgebend ist grundsätzlich dessen wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens (vgl. Senat, Beschluss vom 15.06.2009 - L 11 B 2/09 KA ER -; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 26.03.2003 - L 10 B 2/03 KA -, 13.08.2003 - L 10 B 10/03 KA ER -, 24.02.2006 - L 10 B 21/05 KA -).
1. Ausgehend vom Streitgegenstand (unbefristete Sonderbedarfszulassung) wird das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers durch die Höhe der in einem bestimmten Zeitraum (dazu nachfolgend a)) zu erzielenden Einnahmen (dazu nachfolgend b)) bestimmt.
a) Soweit es ein Hauptsacheverfahren auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung anbelangt, ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht mehr von einem Fünf-Jahres-Zeitraum, sondern nur noch von einem Drei-Jahres-Zeitraum auszugehen (BSG, Beschluss vom 12.10.2005 - B 6 KA 47/04 B -; Urteil vom 01.09.2005 - B 6 KA 41/04 R -). Geht es - wie hier - um einstweiligen Rechtsschutz in Zulassungssachen, wird teilweise die Auffassung vertreten, dass von dem fiktiven Wert des solchermaßen in zeitlicher Hinsicht fixierten Hauptsacheverfahrens ein Abschlag vorzunehmen ist (vgl. SG Dresden, Beschluss vom 15.07.2004 - S 11 KA 279/04 ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 19.11.2003 - L 11 B 28/00 KA -; LSG Thüringen, Beschluss vom 12.03.2004 - L 4 B 15/01 KA -). Der Senat folgt dem nicht. Für die Wertberechnung ist vielmehr ein (fiktives) Hauptsacheverfahren zu Grunde zu legen. Insoweit ist die Länge des Zeitraums zu schätzen, die bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens typischerweise zu erwarten ist (Senat, Beschluss vom 15.06.2009 - L 11 B 2/09 KA ER -; LSG Bayern, Beschlüsse vom 09.12.2004 - L 12 B 202/04 KA - und vom 25.04.2005 - L 12 B 203/04 KA -: zwei Jahre). Ein Abschlag wegen des besonderen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzes kommt nicht in Betracht. Dies beruht darauf, dass der vorläufig zugelassene Arzt und der Arzt, der wegen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels gegen die Zulassungsentziehung weiter vertragsärztlich tätig sein darf, unter dem Gesichtspunkt der Vergütung ihrer Leistungen keinen anderen Status als "regulär" zugelassene Ärzte haben (Senat, Beschlüsse vom 28.07.2010 - L 11 KA 44/10 B - und 15.06.2009 - L 11 B 2/09 KA ER -; vgl. auch Wenner/Bernard, NZS 2006, 1, 4).
Dieser Ansatz würde dazu führen, dass das wirtschaftliche Interesse des antragstellenden Arztes an einer einstweiligen Regelung seinem wirtschaftlichen Interesse an einem Obsiegen im Hauptsacheverfahren deckungsgleich ist. Da für ein solches Hauptsacheverfahren - typisierend - grundsätzlich ein Zeitraum von drei Jahren anzusetzen ist (vgl. oben), müsste auch der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu berücksichtigende Zeitfaktor auf drei Jahre bemessen werden. Das damit verbundene Kostenrisiko erachtet der Senat wegen Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) als nicht mehr vertretbar (vgl. BVerfG NJW 1997, 311). Aus diesem Grunde kann in einstweiligen Rechtsschutzverfahren (einschließlich eines etwaigen Beschwerdeverfahrens) grundsätzlich ein Zeitraum von (insgesamt) zwei Jahren angesetzt werden. Anderes mag dann gelten, wenn eine befristete Teilnahmeform im Streit steht (vgl. Senat, Beschlüsse vom 19.05.2009 - L 11 B 10/09 KA ER - und 27.05.2009 - L 11 KA 2/09 ER -). Darum geht es hier indessen nicht. Zeitlicher Bemessungsfaktor für den Streitwert im Beschwerdeverfahren ist mithin "ein Jahr".
b) In Zulassungsangelegenheiten ist der Streitwert in der Regel in Höhe des Umsatzes anzusetzen, den der Arzt bei erlangter Zulassung innerhalb der nächsten Zeit a...