Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz gegen einen Beitragsbescheid für ein freiwilliges Mitglied der Krankenversicherung
Orientierungssatz
1. Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch bzw. Anfechtungsklage gegen einen Beitragsbescheid ist maßgebend zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine davon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - 1 BvR 2025/03.
2. Die Beitragsbemessung für ein freiwilliges Mitglied der Krankenversicherung hat nach § 240 Abs. 1 S. 2 SGB 5 dessen gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.
3. Bei Mitgliedern, deren Ehegatte oder Lebenspartner nicht einer Krankenkasse angehören, setzen sich die Einnahmen aus den eigenen Einnahmen und den Einnahmen des Ehegatten oder Lebenspartners zusammen. Von den Einnahmen des Ehegatten bzw. Lebenspartners ist für jedes gemeinsame unterhaltsberechtigte Kind der gesetzliche Absetzungsbetrag zu berücksichtigen.
4. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Satzung die höheren Einnahmen des Ehegatten eines freiwillig versicherten Mitglieds zur Beitragsbemessung mit heranziehen darf, wenn das Mitglied nicht oder nur geringfügig erwerbstätig ist und keine oder nur geringere eigene Einnahmen als der Ehegatte hat, vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2002 - B 7/1 A A 1/00 R.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 25.07.2012 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Das Sozialgericht (SG) Münster hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zutreffend abgelehnt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) und führt ergänzend aus: Rechtsgrundlage für die begehrte einstweilige Regelung ist § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG.
Nach § 86a Abs. 2 SGG entfällt die sonst grundsätzlich eintretende aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage (§ 86a Abs. 1 SGG) bei einer Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG) ebenso wie bei den - hier nicht in Betracht kommenden - sonstigen in § 86a Abs. 2 SGG abschließend aufgezählten Fällen. Dabei kann in den Fällen des § 86a Abs. 2 SGG die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder die über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen (§ 86a Abs. 3 S.1 SGG).
Auf Antrag kann (auch) das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, ganz oder teilweise anordnen (§ 86b Abs.1 Nr. 2 SGG).
Bei den Entscheidungen des Gerichts nach § 86b Abs. 1 SGG hat eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen stattzufinden. Dabei steht eine Prüfung der Erfolgsaussichten zunächst im Vordergrund. Auch wenn das Gesetz keine materiellen Kriterien für die Entscheidung nennt, kann als Richtschnur für die Entscheidung davon ausgegangen werden, dass das Gericht dann die aufschiebende Wirkung wiederherstellt, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene durch ihn in subjektiven Rechten verletzt wird. Am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht kein öffentliches Interesse (Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.08.2006 - L 10 B 11/06 KA ER - und Beschlüsse des Senats vom 02.04.2009 - L 11 KA 2/09 ER -, vom 22.02.2010 - L 11 KR 4110 B ER - und vom 03.05.2010 - L 11 KR 139/10 B ER -; Düring in Jansen, SGG, 3. Auflage, 2009, § 86b Rdn. 11). Ist eine Klage gegen den angefochtenen Verwaltungsakt hingegen aussichtslos, kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, 2012, § 86b Rdn. 12f). Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die Regelung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu beachten, dass in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG die Vollziehung ausgesetzt werden soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Auch über diese ausdrückliche Regelung hinaus ist das aus den Regelungen des § 86a SGG hervorgehende gesetzliche Regel-Ausnahmeverhältnis zu beachten: In den ...