Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme von Mietschulden durch den Grundsicherungsträger bei drohender Wohnungslosigkeit des Leistungsempfängers
Orientierungssatz
1. Wird Arbeitslosengeld 2 für den Bedarf der Unterkunft und Heizung bezogen, so können nach § 22 Abs. 8 S. 1 SGB 2 auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt ist. Voraussetzung hierzu ist, dass die Kosten der Unterkunft angemessen i. S. von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 sind.
2. Die Übernahme von Mietschulden steht im Ermessen des Grundsicherungsträgers. Dieses ist nach § 22 Abs. 8 S. 2 SGB 2 eingeschränkt, wenn ohne deren Übernahme Wohnungslosigkeit einzutreten droht.
3. Drohende Wohnungslosigkeit bedeutet den drohenden Verlust der bewohnten, kostenangemessenen Wohnung bei fehlender Möglichkeit, ebenfalls angemessenen Ersatzwohnraum zu erhalten. Eine entsprechende Wohnung muss für den Hilfebedürftigen konkret anmietbar sein.
4. Führt die Schuldenlage zu drohender Wohnungslosigkeit, so verbleibt dem Grundsicherungsträger für die Ausübung seines Ermessens regelmäßig kein Spielraum. Wirtschaftlich unvernünftiges Handeln, das die drohende Wohnungslosigkeit mitverursacht hat, tritt zurück. Eine Ausnahme besteht nur bei gezielter Herbeiführung der Mietrückstände trotz ausreichenden Einkommens oder bei wiederholten Mietrückständen ohne erkennbaren Selbsthilfewillen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller zu 1), 2), 5) und 6) wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 02.08.2013 geändert.
Dem Antragssteller zu 1), der Antragstellerin zu 2), dem Antragsteller zu 5) und der Antragstellerin zu 6) wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ab dem 31.07.2013 ohne Berücksichtigung des Tätigwerdens des beigeordneten Rechtsanwalts im Erörterungstermin am 31.07.2013 bewilligt und Rechtsanwalt I, Lünen beigeordnet.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe. Sie hatten in einem mittlerweile vergleichsweisen erledigten Eilverfahren die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 8 SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt.
Der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) wohnen mit ihren vier Kindern, u.a. dem Antragsteller zu 5) und der Antragstellerin zu 6) in einem Haushalt. Durch Urteil des Amtsgerichts Lünen vom 14.03.2013 wurden der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) verurteilt, die im Haus L 96d, 44534 M im Erdgeschoss Mitte gelegene Wohnung bestehend aus 4,5 Zimmern zu räumen und an die Vermieterin herauszugeben sowie an die Vermieterin 2.772,62 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.10.2012 zu zahlen. Das Amtsgericht stellte fest, dass die Antragsteller zu 1) und 2) für die Monate Mai, Juni, August und Oktober 2012 keine Mietzahlungen geleistet hatten. Am 23.05.2013 beantragte die Vermieterin die Zwangsräumung. Als Termin der Räumungsvollstreckung wurde der 15.08.2013 festgesetzt.
Der Antragsteller zu 1) ist geringfügig beschäftigt. Sein Bruttoentgelt beträgt 420,00 EUR bis 483,00 EUR monatlich. Die Antragstellerin zu 1) und 2) üben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gegen ein Bruttoentgelt von 1.300,00 EUR aus. Die Antragstellerin zu 4) bezieht Kindergeld und Berufsausbildungsbeihilfe. Der Antragsteller zu 5) hat kein Einkommen. Für die Antragstellerin zu 6) bezieht die Antragstellerin zu 2) Kindergeld. Die Antragsteller zu 1), 2), 5) und 6) beziehen vom Antragsgegner seit Beginn des Jahres 2013 aufstockend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zuletzt bewilligte der Antragsgegner durch Bescheid vom 17.06.2013 den Antragstellern zu 1), 2), 5) und 6) für die Zeit vom 01.07.2013 bis zum 31.12.2013 Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. insgesamt 365,14 EUR monatlich.
Mit Bescheid vom 19.06.2013 lehnte der Antragsgegner den Antrag des Antragstellers zu 1) auf Übernahme von Mietrückständen i.H.v. 3.815,03 EUR ab. Er habe die Miete ohne Benennung wichtiger Gründe nicht gezahlt. Da es sich bei diesen Rückständen bereits um mehr als vier Monatsmieten handele, werde ein Darlehen abgelehnt. Es liege kein atypischer Fall, der eine Darlehensgewährung rechtfertigt, vor. Erschwerend komme hinzu, dass der Leistungsanspruch zur zukünftigen Sicherung der Mietzahlungen aufgrund des vorhandenen Einkommens nicht ausreiche. Die Miete werde bereits schon jetzt lediglich anteilig gezahlt. Ebenso reiche der Anspruch nach Direktzahlung der anteiligen Miete nicht aus, um eine Verrechnung des Darlehens vorzunehmen.
Hiergegen legte der Antragsteller zu 1) Widerspruch ein.
Am 24.06.2013 haben die Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen ein Darlehen zum Ausgleich von Mietrückständen i.H.v. 3.815,03 EUR zu gewähren. Dieser Betrag hat sich nach Angaben des Bevollmächtigten der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner aus rückständigen Mieten bzw. Nutzungsentschädigung für...