Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss von einstweiligem Rechtsschutz bei bindend gewordenem Ablehnungsbescheid

 

Orientierungssatz

1. An der für die Bewilligung von einstweiligem Rechtsschutz erforderlichen Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs fehlt es, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Bescheid bindend abgelehnt worden ist. Der in der Hauptsache nicht mehr durchsetzbare Anspruch auf die begehrte Leistung kann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nicht mehr geltend gemacht werden. Einer Geltendmachung steht die Bindungswirkung der Verwaltungsentscheidung nach § 77 SGG entgegen.

2. Ein innerhalb der Widerspruchsfrist gestellter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beinhaltet nicht gleichzeitig die Einlegung eines Widerspruchs gegen den maßgeblichen Bescheid.

3. Zustellungen sind an den Bevollmächtigten zu richten, wenn dieser eine schriftliche Vollmacht vorgelegt hat. Lässt sich die Zustellung nicht nachweisen, so ist für eine Heilung des Zustellungsmangels die Aushändigung einer Fotokopie des Dokuments nicht ausreichend. Dagegen verschafft eine dem Bevollmächtigten per Telefax übermittelte Kopie des Bescheides diesem eine zuverlässige und vollständige Kenntnis von der ergangenen Entscheidung. Dies genügt jedenfalls in den Fällen, in denen das Gesetz nur eine Bekanntgabe und nicht eine förmliche Zustellung des Verwaltungsaktes vorschreibt.

 

Tenor

Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 27.07.2011 werden zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässigen Beschwerden des Antragstellers sind unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 -1 BvR 569/05-, NVwZ 2005, S. 927).

Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Es fehlt an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte unter Hinweis auf § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zu Recht einen Leistungsanspruch verneint. Jedenfalls steht dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch die Unanfechtbarkeit des Bescheides vom 28.04.2011 entgegen. Der in der Hauptsache nicht mehr durchsetzbare Anspruch auf die begehrte Leistung kann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht mehr geltend gemacht werden. Einer Geltendmachung steht die Bindungswirkung der Verwaltungsentscheidung nach § 77 SGG entgegen.

Zwar hat der Bevollmächtigte des Antragstellers innerhalb der Widerspruchsfrist am 25.05.2011 (Schriftsatz vom 24.05.2011) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Diese Antrag beinhaltet jedoch nicht gleichzeitig die Einlegung eines Widerspruchs. Zum Zeitpunkt des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hatte der Bevollmächtigte unter Berücksichtigung seines Vorbringens keine Kenntnis von dem Bescheid vom 28.04.2011. Dementsprechend ist dieser Bescheid auch nicht in dem Schriftsatz vom 24.05.2011 erwähnt.

Der Beurteilung des Senats steht nicht entgegen, dass der Kläger durch seinen Bevollmächtigten nunmehr mit Schriftsatz vom 30.08.2011 (Eingang: 01.09.2011 beim Landessozialgericht) Widerspruch eingelegt hat. Dieser Widerspruch ist verfristet. Die einmonatige Widerspruchsfrist nach § 84 Abs. 1 SGG ist versäumt. Die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG greift nicht ein. Denn die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 28.04.2011, wonach innerhalb eines Monats nach "Zustellung" (nicht nach Bekanntgabe) Widerspruch erhoben werden kann, ist richtig (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 09.12.2008, B 8/9b SO 13/07 R).

Unerheblich ist auch, dass die Antragsgegnerin (kommunaler Träger) dem Antragsteller und nicht seinem Bevollmächtigten, wie es § 7 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (LZG NRW) vorsieht, der Bescheid vom 28.04.2011 mit Postzustellungsurkunde am 26.05.2011 zugestellt wurde. Nach dieser Vorschrift sind Zustellungen an den Bevollmächtigten zu ric...

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