Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Zuständigkeit für eine Klage des von einer Schließungsverfügung der Aufsichtsbehörde gegenüber der Krankenkasse drittbetroffenen Arbeitnehmers
Orientierungssatz
1. Bei einer Schließungsverfügung der Aufsichtsbehörde gegenüber der ihr unterliegenden Krankenkasse handelt es sich um die Ausübung von Staatsaufsicht. Diese erschöpft sich in der Wahrung des Gleichgewichts zwischen Staat und Selbstverwaltungskörperschaft. Sie besitzt infolgedessen keinen drittschützenden Charakter. Deshalb kann sich ein Dritter gegen einen Schließungsbescheid der Aufsichtsbehörde nicht wehren. Eine funktionelle Zuständigkeit des Landessozialgerichts nach § 29 Abs. 2 Nr. 2 SGG kann daher nicht dadurch begründet werden, dass ein Dritter geltend macht, durch eine gegenüber der Krankenkasse vorliegenden Aufsichtsangelegenheit in seinen Rechten betroffen zu sein, vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 2007 - B 1 A 3/06 R.
2. Damit verbleibt es für eine solche Klage bei der sachlichen Zuständigkeit der Sozialgerichte gemäß § 8 SGG. Örtlich zuständig ist das Wohnsitzgericht des Klägers.
Tenor
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ist sachlich und örtlich unzuständig. Der Rechtsstreit wird an das sachlich und örtlich zuständige Sozialgericht Duisburg verwiesen.
Gründe
I.
Mit der am 10.01.2012 beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 02.11.2011, mit dem diese die Schließung der BKK I mit Sitz in E zum 31.12.2011 verfügt hat.
Die Klägerin macht geltend, als Arbeitnehmerin der BKK I Drittbetroffene und daher klagebefugt zu sein. Mit der Schließung der BKK I ende auch ihr Arbeitsverhältnis. Der Schließungsbescheid sei formell und materiell unwirksam (wird ausgeführt). Für die Klage gegen den Schließungsbescheid seien die Landessozialgerichte funktionell zuständig, denn aufgrund des mit der Schließung einhergehenden Arbeitsplatzverlustes sei sie als Arbeitnehmerin beschwert, sodass es sich um eine Aufsichtsangelegenheit i.S.v. § 29 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) handele.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Klägerin sei nicht klagebefugt (wird ausgeführt). Die Bestimmungen des Aufsichtsrechts hätten keinen drittschützenden Charakter. Der Verlust des Arbeitsplatzes resultiere nicht aus dem Schließungsbescheid, sei vielmehr eine Fernwirkung. Insoweit habe die Kläger bereits Klage vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf erhoben. Die Zuständigkeit des LSG sei nicht gegeben sei, da § 29 Abs. 2 Nr. 2 SGG nur Streitigkeiten zwischen Krankenkassen und der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde erfasse. Allein die Tatsache, dass sich die Klägerin als Beschäftigter der BKK I gegen den Schließungsbescheid wende, führe nicht dazu, dass es sich um eine Aufsichtsangelegenheit i.S.v. § 29 Abs. 2 Nr. 2 SGG handele. Daraus folge, dass das Sozialgericht Duisburg sachlich und örtlich zuständig sei.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, den Rechtsstreit an das Sozialgericht Duisburg zu verweisen.
Die Klägerin hat in der Klageschrift (hilfsweise) beantragt,
den Rechtsstreit an das Sozialgericht Duisburg zu verweisen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Streitakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
II.
Das LSG ist sachlich und örtlich unzuständig. Der Senat hat dies nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen gemäß § 98 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) auszusprechen und den Rechtsstreit zugleich an das sachlich und örtlich zuständige Sozialgericht Duisburg zu verweisen.
Das angerufene Gericht hat von Amts wegen seine sachliche und örtliche Zuständigkeit zu prüfen und festzustellen (Eschner in Jansen, SGG, 3. Auflage, 2009, § 98 Rdn. 5; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, 2012, § 98 Rdn. 4). Nach § 29 Abs. 2 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII vom 24.03.2011(BGBl. I 453) entscheiden das Landessozialgericht im ersten Rechtszug als sachlich zuständiges Gericht über
1. Klagen gegen Entscheidungen der Landesschiedsämter und gegen Beanstandungen von Entscheidungen der Landesschiedsämter nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch, gegen Entscheidungen der Schiedsstellen nach § 120 Abs. 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, der Schiedsstelle nach § 76 des Elften Buches Sozialgesetzbuch und der Schiedsstellen nach § 80 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch,
2. Aufsichtsangelegenheiten gegenüber Trägern der Sozialversicherung und ihren Verbänden, gegenüber den Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen sowie der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, bei denen die Aufsicht von einer Landes- oder Bundesbehörde ausgeübt wird,
3. Klagen in Angelegenheiten der Erstattung von Aufwendungen nach § 6b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch,
4. Anträge nach § 55a SGG.
Das LSG Nordrhein-Westfalen entscheidet ge...