Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags zur Direktvergabe eines Sekundärvertrags über die hausarztzentrierte Versorgung
Orientierungssatz
1. Die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags zu einem Vergabeverfahren setzt die unmittelbare Erteilung eines öffentlichen Auftrags ohne die Beteiligung anderer Unternehmen im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens voraus.
2. Konstitutives Merkmal des öffentlichen Auftrags i. S. des § 98 GWB ist der Beschaffungsbezug. Änderungen eines bestehenden Vertrags bewirken nicht schlechthin die Verpflichtung zur Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens, sondern nur dann, wenn es sich um qualifizierte Änderungen handelt, die den Schluss zulassen, dass damit auf einen veränderten Beschaffungsbedarf reagiert werden soll.
3. Nach § 73 b SGB 5 werden alte Verträge über die hausarztzentrierte Versorgung von der Neuregelung zum 1. 4. 2007 nicht berührt, sondern gelten fort. Infolgedessen löst eine erzielte Einigung über die Fortgeltung der alten Vereinbarung über die hausarztzentrierte Versorgung keine Verpflichtung zur Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung aus.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 26.02.2010 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerinnen und der Beigeladenen zu 1) im Beschwerdeverfahren.
Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerinnen im Beschwerdeverfahren wird für notwendig erklärt.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerinnen (AG) zu 1) bis 3) schlossen mit den Beigeladenen zu 1) bis 4) die Vereinbarung vom 12.02.2007 über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des Gesetzes vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190), im Folgenden: HzV-Vertrag alt. Dieser Vertrag, der eine Befristung nicht vorsieht, kann mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende gekündigt werden (§ 12 Abs. 2 der Vereinbarung). Im Falle der Kündigung behält der Vertrag für die übrigen Vertragsparteien weiterhin seine Gültigkeit, es sei denn, durch die Kündigung des Vertragspartners entfällt die Geschäftsgrundlage der Vereinbarung (§ 12 Abs. 3 HzV-Vertrag alt).
Am 07.03.2009 kündigte die Beigeladene zu 2), der mitgliederstärkste Hausärzteverband in Bremen, den HzV-Vertrag alt mit Wirkung zum 30.06.2009. Ende September 2009 kündigten die AG zu 1) bis 3) den HzV-Vertrag alt gegenüber den Beigeladenen zu 1), 3) und 4) jeweils mit Wirkung zum 31.12.2009.
Am 23.12.2009 kam aufgrund eines Schiedsspruchs zwischen der AG zu 1) und der Beigeladenen zu 2) sowie der Antragstellerin (AS) der Vertrag zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der GKV vom 15.12.2008 (GKV-OrgWG,BGBl. I S. 2426) mit Wirkung ab 01.01.2010 (HzV-Vertrag neu) zustande. Die Vergütungs- und Abrechnungsregeln für die teilnehmenden Ärzte sowie die Vereinbarung über die an die Beigeladene zu 2) zu zahlende Verwaltungskostenpauschale gelten jedoch erst ab dem 01.07.2010 (§ 16 Abs. 1 und 2, §§ 6 Abs. 3, 10 bis 14 Abs. 3 bis 4 HzV-Vertrag neu). Die zwischen den AG zu 2) und 3) sowie der Beigeladenen zu 2) anhängigen Schiedsverfahren sind zur Zeit noch nicht abgeschlossen. Die AG zu 1) sucht in einem Verfahren vor dem Sozialgericht Bremen die Feststellung der Unwirksamkeit des Schiedsspruchs zu erreichen.
Nach dem Schiedsspruch - am 23.12.2009 - einigten sich die AG zu 1) bis 3) einerseits und die Beigeladenen zu 1), 3) und 4) andererseits auf die einverständliche Rücknahme der Kündigungen des HzV-Vertrags alt.
Die AS hat am 22.01.2010 bei der VK des Bundes Nachprüfungsanträge gegen die AG zu 1) bis 3) gestellt, die von der VK zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind.
Die AS hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Rücknahme der Kündigungen des HzV-Vertrags alt um eine vergaberechtswidrige Neuvergabe eines Sekundärvertrages über die hausarztzentrierte Versorgung gemäß § 73b Abs. 4 Satz 3 SGB V handele. Die Kündigung des HzV-Vertrags alt habe das unbefristete Vertragsverhältnis in ein bis zum 31.12.2009 befristetes Vertragsverhältnis umgewandelt. Die einvernehmliche Einigung über die Rücknahme der Kündigung stelle einen erneuten Abschluss eines Vertrages über die Beschaffung der hausarztzentrierten Versorgung dar, der nach den Regelungen der §§ 97 ff des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) habe ausgeschrieben werden müssen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. gemäß § 101b Abs. 2 Nr. 2 GWB festzustellen, dass die Vereinbarung über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b SGB V vom 12.02.2007 zwischen der AG zu 1), zu 2) und zu 3) und der Beigeladenen zu 1) insoweit unwirksam ist, als sie nach dem 31.12.2009 weitergeführt wird,
2. die AG zu 1), zu 2) und zu 3) zu verpflichten, eine Vereinbarung nach § 73b Abs...