Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für einen arbeitsuchenden Unionsbürger im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
Orientierungssatz
1. Zur Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ist die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes erforderlich. Es ist immer noch umstritten, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 eingreift, wenn sich das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt.
2. Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 11. 11. 2014 die europarechtliche Konformität des in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 geregelten Leistungsausschlusses nicht ausdrücklich bestätigt. Eine Entscheidung des EuGH für Personen, bei denen die Arbeitsuche zu bejahen ist, steht noch aus.
3. Hat der Antragsteller in Deutschland lange Jahre gearbeitet und gibt es keine Zweifel an seinem Willen, auch künftig einer Arbeitstätigkeit nahezugehen, so unterfällt er nicht der Entscheidung des EuGH vom 11. November 2014 - C-333/13.
4. Weil wegen der Komplexität der Rechtsfragen die Rechtslage in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend beurteilt werden kann, ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese fällt wegen des existenzsichernden Charakters der Leistungen des SGB 2 regelmäßig zu Gunsten des Antragstellers aus. Durch die zeitliche Beschränkung der vorläufigen Gewährung sind die nachteiligen Folgen auf Seiten des Grundsicherungsträgers zu begrenzen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 29.12.2014 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit ab dem 12.12.2014 bis zum 30.06.2015, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Dem Antragsteller wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin U, L, bewilligt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für beide Rechtszüge zu erstatten.
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin U, L, bewilligt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Der Antragsteller ist italienischer Staatsbürger. Er lebt zur Zeit in einem Männerwohnheim. Seit 2011/2012 lebt er in Deutschland. Bis zum 24.06.2013 arbeitete der Antragsteller bei der Firma F Ltd. Im Juni 2013 verdiente der Antragsteller 690,00 EUR brutto bzw. 543,54 EUR netto.
Mit Bescheid vom 31.07.2013 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller für die Zeit vom 01.07.2013 bis zum 31.12.2013 Leistungen in Höhe von monatlich 770,79 EUR.
Den Weiterbewilligungsantrag vom 22.11.2013 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 25.11.2013 ab. Auf den Widerspruch des Antragsstellers bewilligte der Antragsgegner für die Monate Januar 2014 bis Mai 2014 mit Bescheiden vom 07.03.2014 den Regelbedarf in Höhe von monatlich 391,00 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2014 wies der Antragsgegner den Widerspruch in Bezug auf die Kosten für Unterkunft und Heizung als unbegründet zurück.
Der Antragsteller beantragte am 05.05.2014 beim Antragsgegner die Weiterbewilligung von Leistungen. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20.05.2014 ab. Der Aufnahme einer Beschäftigung habe die Bundesagentur für Arbeit nicht zugestimmt. Es könne dem Antragsteller nicht erlaubt werden, eine Beschäftigung aufzunehmen. Daher sei der Antrag abzulehnen.
Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit Widerspruch von 06.06.2014. Er sei als Italiener Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaates, und habe daher freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Es bedürfe keiner weiteren Zustimmung oder Zulassung.
Am 30.11.2014 beantragte der Antragsteller erneut beim Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 11.12.2014 ab. Der Antragssteller habe keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Er verfüge über keinen Daueraufenthaltsstatus und er gehe auch keiner Erwerbstätigkeit nach.
Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit Widerspruch vom 12.12.2014. Der Leistungsausschluss sei nicht europarechtskonform. Abgesehen davon habe er auf Grund des europäischen Fürsorgeabkommens einen Anspruch auf Leistungen. Der diesbezüglich erklärte Vorbehalt sei ebenfalls nicht europarechtskonform.
Am 12.12.2014 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Köln beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu verpflichten und ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin U zu gewähren...