Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzicht auf die vorherige Zusicherung des SGB 2-Leistungsträgers zur Übernahme von Wohnungsbeschaffungskosten beim beruflich verursachten Wohnungswechsel

 

Orientierungssatz

1. Ein gänzlicher Verzicht auf die Einholung einer Zusicherung der Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 S. 1 SGB 2 kommt dann in Betracht, wenn nach den Besonderheiten des Einzelfalles eine Verpflichtung des Leistungsträgers zur Erteilung der Zusicherung unzumutbar erscheint.

2. Ob ein Umzug erforderlich ist, bestimmt sich grundsätzlich danach, ob für ihn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichthilfeempfänger leiten lassen würde. Das ist dann anzunehmen, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst worden ist.

3. Vorrangiges Förderungsziel des SGB 2 ist es, dazu beizutragen, dass der Leistungsempfänger seinen Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten kann. Deshalb kommt eine Kostenübernahme durch den Leistungsträger auch ohne dessen vorherige Zusicherung dann in Betracht, wenn der Hilfebedürftige an der auswärtigen Arbeitsstelle mietfrei eine Werkswohnung bewohnt und er am bisherigen Wohnort an einen langfristigen Mietvertrag gebunden ist.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 09.01.2009 geändert. Den Klägern wird ab 17.08.2009 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T, F, beigeordnet.

 

Gründe

Die Kläger wenden sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe in ihrem Rechtsstreit nach dem SGB II um Übersetzungskosten sowie vorübergehende Mietaufwendungen für ihre - im Zusammenhang mit einer Arbeitsaufnahme in Frankreich und Anmietung einer Wohnung dort - gekündigte und nicht mehr bewohnte Wohnung in Deutschland.

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung abgelehnt. Gegen den am 15.01.2009 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Kläger vom 09.02.2009, auf deren Begründung gleichfalls Bezug genommen wird.

Die zulässige Beschwerde ist auch begründet.

Ab dem 17.08.2009 sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach §§ 73 a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), 114 f. der Zivilprozessordnung (ZPO) erfüllt.

Zumindest dem auf Übernahme doppelter Mietkosten gerichteten Klagebegehren kann eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO zur Überzeugung des Senats bei der hier alleine möglichen summarischen Prüfung nicht abgesprochen werden. Unter Beachtung des vorrangigen Förderungszieles des SGB II, nämlich dazu beizutragen, dass die Leistungsempfänger ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können (§ 1 Abs. 1 S. 1 SGB II), erscheint es weiterer Prüfung bedürftig, ob es sich hier um erstattungsfähige Umzugskosten im Sinne von § 22 Abs. 3 SGB II handelt.

Dabei steht der Annahme hinreichender Erfolgsaussicht im Hinblick auf Besonderheiten des vorliegenden Sachverhaltes nicht entgegen, dass eine schriftliche "vorherige" Zusicherung als nach § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II regelmäßig zu fordernde Voraussetzung nach dem aktenkundigen Sachverhalt nicht erteilt worden ist.

Auch der Senat hat dies in bislang entschiedenen Fällen für erforderlich gehalten (z.B. Urteil vom 02.03.2009 - L 19 AS 61/08 -, Revision anhängig unter B 4 AS 28/09 R -).

Bezugspunkt der Prüfung (vorheriger) Zustimmung war, soweit ersichtlich, jeweils der Zeitpunkt, in dem der Rechtsgrund für die Kostenentstehung gesetzt wurde (z.B. Vertragsschluss mit dem Umzugsunternehmen, vgl. Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rn. 85).

Rechtsgrund der Mietaufwendungen in Deutschland nach dem Umzug ist hier jedoch ein seit längerem bestehender Mietvertrag.

Naheliegend ist regelmäßig weiter eine Anknüpfung an den Zeitpunkt, in dem ein neuer Mietvertrag geschlossen wurde.

Die Kläger haben jedoch in Frankreich keinen neuen Mietvertrag geschlossen, vielmehr mietfrei eine Werkswohnung bewohnt.

Als weitere Anknüpfungspunkte kommen sowohl der Abschluss der Arbeitsverträge in Frankreich am 22.12.2007 als auch der tatsächliche Weggang nach Frankreich zwecks Arbeitsaufnahme ab dem 21.01.2008 in Betracht.

Beide Umstände haben die Kläger der Beklagten am 03.01.2008 mitgeteilt, was ein rechtzeitiges Begehren auf Erteilung der Zustimmung enthalten könnte, wenn auf die Arbeitsaufnahme abzustellen ist. Wäre eine Verweigerung der Zustimmung ab diesem Zeitpunkt als rechtswidrig anzusehen, käme eine Ersetzung ggf. in Betracht (vgl. zur Ersetzung im einstweiligen Rechtsschutz Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 06.05.2009 - L 32 AS 612/09 B).

Weiter wird der gänzliche Verzicht auf Einholung einer Zusicherung erwogen, wenn dies nach den Besonderheiten des Einzelfalles unzumutbar erscheint (Lang/Link, a.a.O...

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