Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung bei durch einstweiligen Rechtsschutz unzulässiger Untätigkeitsklage
Orientierungssatz
1. Für die Kostenentscheidung des Gerichts ist nach dem Veranlassungsprinzip maßgeblich, welchem Beteiligten die Durch- bzw. Fortführung des Klageverfahrens zuzurechnen ist.
2. Eine im Zeitpunkt der Erledigung unzulässige oder unbegründete Klage kann aber dann zu einer Kostenerstattungspflicht des beklagten Sozialleistungsträgers führen, wenn dieser die Durchführung des Klageverfahrens aus anderen Gründen veranlasst hat.
3. Eine Untätigkeitsklage ist dann nicht statthaft, wenn sofortiger Rechtsschutz möglich ist. Hat der Kläger von dem möglichen einstweiligen Rechtsschutz keinen Gebrauch gemacht, so hat er die außergerichtlichen Kosten einer erhobenen Untätigkeitsklage selbst zu tragen.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 23.11.2006 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten
Gründe
Die Beschwerde, der das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 09.01.2007) ist unbegründet.
Zur Recht hat das SG entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind. Denn die Beklagte hat die am 05.10.2005 erhobene Klage nicht veranlasst.
Es kann unentschieden bleiben, ob die Kostenentscheidung hier auf § 102 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) oder auf § 193 Abs 1 Satz 3 SGG (in der Fassung vom 30. März 1998, BGBl I S 638) beruht, da nach beiden Vorschriften gerichtlich nach billigem (sachgemäßen) Ermessen zu beurteilen ist, inwieweit die Beteiligten einander Kosten zu erstatten habe (vgl dazu Bundessozialgericht (BSG) E 6, 92, 93; 8, 178, 181; 14, 25, 26 sowie Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a. Kommentar zum SGG. 8. Auflage 2005, § 193 Rdnrn 12ff), wobei der Sach- und Streitstand zur Zeit der Erledigung zu berücksichtigen ist (Leitherer. aaO, Rdnrn 12c und 13; Zeihe. Das Sozialgerichtsgesetz und seine Anwendung. 8. Auflage Stand Mai 2006, Anmerkung 7a zu § 193). Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Frage der Kostenerstattung ist damit das Veranlassungsprinzip (Leitherer. aaO; Zeihe. aaO), d. h. es ist darauf abzustellen, welchen Beteiligten die Durch- bzw. Fortführung des Klageverfahrens zuzurechnen ist.
Hiernach wird es in der Regel der Billigkeit entsprechen, wenn derjenige Kosten zu erstatten hat, der im Prozess - voraussichtlich - unterlegen wäre (BSG SozR Nr 4 zu § 193 SGG; Leitherer aaO Rdnr 12a). Die allein am mutmaßlichen Prozessausgang orientiere Betrachtungsweise ist jedoch nicht in allen Fällen angemessen, da nach dem Veranlassungsprinzip auch immer mit zu berücksichtigen ist, ob und ggf. inwieweit der beklagte Sozialleistungsträger - keine - Veranlassung zur Klageerhebung geboten hat (Peters/Sautter/Wolff. Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit. 4. Auflage Stand Januar 2006, § 193 III/109 -60, 61-). Unentschieden bleiben kann, ob zur weiteren Begründung dieses der Billigkeit entsprechenden Grundsatzes auf § 93 der Zivilprozessordnung (ZPO) zurückzugreifen ist (vgl. hierzu Leitherer. aaO Rdnr 12b einerseits und LSG NRW NJW 1987, 1360 [LS] andererseits). Jedenfalls kann auch eine im Zeitpunkt der Erledigung unzulässige oder unbegründete Klage dann zu einer Kostenerstattungspflicht des beklagten Sozialleistungsträges führen, wenn und soweit dieser die Durchführung des Klageverfahrens aus anderen Gründen veranlasst hat (Landessozialgericht Nordrhein Westfalen (LSG NRW) Beschlüsse vom 12.09.1994, Aktenzeichen (Az) L 6 S 9/94, vom 18.09.00, Az L 2 B 9/00 KN KR, vom 28.02.2003 Az L 2 B 10/02 KN KR und vom 02.02.2004 Az L 2 B 23/03 KN KR, jeweils mwN).
Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte Kosten nicht zu erstatten. Die Klage war von Anfang an unzulässig; Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Klageerhebung gleichwohl veranlasst hat, liegen nicht vor.
Die Klage war als Untätigkeitsklage nicht statthaft. Die Untätigkeitsklage ist eine spezifische Klageart, die in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten - in Ausgestaltung von Art 19 Abs 4 des Grundgesetzes - den Besonderheiten des Subordinationsverhältnisses Rechnung trägt. In diesem (allgemeinen oder besonderen) Gewaltverhältnis zwischen staatlichem Hoheitsträger und (seiner Gewalt unterworfenem) Staatsbürger ist jener befugt, das Rechtsverhältnis einseitig durch Verwaltungsakt (§ 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) zu regeln. Der gerichtliche Rechtsschutz ist so ausgestaltet, dass erst nach Abschluss eines solchen Verwaltungsverfahrens eine Klage statthaft ist, die (ggf.: ua) darauf gerichtet ist, den Verwaltungsakt zu ändern. Das sozialgerichtliche Verfahrensrecht stellt einen numerus clausus von Klagearten zur Verfügung. In Verfahren, in denen ein Verwaltungsakt zu ergehen hat, sind danach Anfechtungs-, Anfechtungs- und Verpflichtungs- und/oder Leistungsklage statthaft, § 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG. Ist (ausnahmsweise) ein Verwaltungsverfahren nicht erforderlich, ist dagegen sofort gerichtlicher Rechtsschutz möglich, etwa in Form eine all...