Entscheidungsstichwort (Thema)
Einfluss einer bestandskräftigen Entscheidung auf die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Im einstweiligen Rechtsschutz sollen nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die zur Behebung einer aktuellen Notlage erforderlich sind. Nur ausnahmsweise können für einen abgelaufenen Zeitraum Grundsicherungsleistungen bewilligt werden, wenn die Nichtgewährung in der Vergangenheit noch in die Gegenwart fortwirkt und infolgedessen eine aktuelle Notlage besteht.
2. Bei einer bindenden Hauptsacheentscheidung ist ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unzulässig. Erst wenn ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB 10 gestellt wurde und der Behörde eine ausreichende Bearbeitungsfrist eingeräumt worden ist, kann ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wieder zulässig werden. Im Falle eines solchen Antrags sind aber besonders strenge Anforderungen zu stellen, weil das Unterlassen eines rechtzeitigen Rechtsbehelfs trotz Rechtsbehelfsbelehrung gegen eine Eilbedürftigkeit spricht. Regelmäßig ist bei einer solchen Konstellation dem Antragsteller zuzumuten, die Entscheidung im Verwaltungs- bzw. im anschließenden Hauptsacheverfahren abzuwarten.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 21.01.2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufigen Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht (SG) den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG im Beschluss vom 21.01.2011 verwiesen, die sich der Senat nach Prüfung zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Auch das Vorbringen der Antragstellers im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung.
a) Soweit der Antragsteller rückwirkende Leistungen ab November 2010 begehrt, fehlt bis zum Zeitpunkt der Antragstellung beim SG am 10.01.2011 der gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) erforderliche Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung. Dies folgt aus dem allgemein anerkannten Grundsatz, dass kein Anordnungsgrund für das Verlangen von Geldleistungen für die Vergangenheit anzunehmen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Auflage, 2008, § 86b, Rdn. 28). Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sollen nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die zur Behebung einer aktuellen, d.h. gegenwärtig noch bestehenden Notlage erforderlich sind. Nur ausnahmsweise, wenn die Nichtgewährung der begehrten Leistungen in der Vergangenheit noch in die Gegenwart fortwirkt und infolgedessen eine aktuelle Notlage besteht, kann von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht werden (vgl. LSG Bayern, Beschluss vom 23.09.2010, Az.: L 7 AS 651/10 B ER, Rdn. 20). Derartige Folgewirkungen hat der Antragsteller aber nicht dargelegt.
b) Hinsichtlich des Zeitraums vom 11.01.2011 (Antragstellung beim SG) bis zum 02.02.2011 (Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch - SGB II -) begehrt der Antragsteller Leistungen für einen Zeitraum, für den eine bestandskräftige Entscheidung ergangen ist. Ausgehend vom Streitgegenstand eines Anordnungsverfahrens, im Eilverfahren zu prüfen, inwieweit dem Antragsteller für einen Zwischenraum bis zur Hauptsacheentscheidung eine bestimmte Rechtsposition zusteht, ist ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bei einer bindenden Hauptsacheentscheidung unzulässig (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, a.a.O., § 86b Rdn. 26d). Es gibt dann keine Rechtsposition, die bis zur Entscheidung im H...