Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensprüfung im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Ablehnung von Grundsicherung für Arbeitsuchende
Leitsatz (redaktionell)
Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf Gewährung von Grundsicherung für Arbeitsuchende können bei der Prüfung des Anordnungsgrundes und damit der besonderen Eilbedürftigkeit auch solche Geldmittel Berücksichtigung finden, deren Inanspruchnahme im Rahmen der materiellen Prüfung des Anspruchs nicht eingefordert werden kann, die dem Antragsteller aber tatsächlich zur Beseitigung der Notlage zur Verfügung stehen.
Normenkette
SGB II § 11; SGG § 86b Abs. 2 Sätze 2, 4, §§ 73, 202; ZPO §§ 114, 920 Abs. 2
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.01.2022 wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt U wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 06.01.2022 hat keinen Erfolg.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in gesetzlicher Höhe für einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Zeitraum zu gewähren.
Die Beschwerde gegen den dieses Begehren ablehnenden Beschluss des SG ist zwar statthaft gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und auch in der durch § 173 SGG bestimmten Frist eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Beurteilung des Senats unterliegt danach hier lediglich der Zeitraum bis einschließlich Januar 2022, der von dem Bescheid vom 21.10.2021 abgedeckt ist und aus dem sich das hier streitige Rechtsverhältnis ergibt. Die Antragstellerin kann in dem vorliegenden Eilverfahren nicht mehr erstreiten, als ihr in dem (bereits anhängigen) Klageverfahren zugesprochen werden könnte (vgl. dazu etwa Beschluss des erkennenden Senats vom 23.12.2021, L 6 AS 1240/21 B ER). Sofern die Antragstellerin mit der Beschwerde auch (höhere) Leistungen für die Zeit ab Februar 2022 begehren sollte, sind diese Gegenstand des Bescheides vom 04.04.2022, der einen neue Bewilligungszeitraum und damit ein anderes Rechtsverhältnis als das hier gegebenenfalls vorläufig zu regelnde betrifft (vgl. zur Maßgeblichkeit des entsprechenden Hauptsacheverfahrens für den Streitgegenstand im Eilverfahren Landessozialgericht [LSG] Bayern, Beschluss vom 19.07.2018, L 11 AS 329/18 B ER, juris Rn. 9 sowie z.B. LSG Nordrhein-Westfalen vom 04.04.2022, L 19 AS 250/22 B ER).
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind nicht erfüllt. Eine einstweilige Anordnung ergeht nur, wenn sie zur Abwendung wesentlicher, nicht wiedergutzumachender Nachteile für die Antragstellerin notwendig ist. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, also des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Dabei hat die Antragstellerin wegen der von ihr geltend gemachten Eilbedürftigkeit der Entscheidung die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 202 SGG i.V.m. § 294 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes im summarischen Verfahren (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 29.07.2003, 2 BvR 311/03).
Ebenso wie das SG sieht der Senat den Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache als offen an, da es dort weiterer Ermittlungen zum Inhalt der zwischen der Antragstellerin und ihren Eltern getroffenen Vereinbarungen zur Gewährung von Unterstützungsleistungen bedürfen wird.
Davon ausgehend fehlt es jedoch an der Glaubhaftmachung einer besonderen Eilbedürftigkeit. Auf die Ausführungen des SG in dem angefochtenen Beschluss zum fehlenden Anordnungsgrund aufgrund der Unterstützung der Antragstellerin durch ihre Eltern wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Auch im Beschwerdeverfahren ist das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht worden. Bei der Prüfung des Anordnungsgrundes und damit der besonderen Eilbedürftigkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren können auch solche Mittel Berücksichtigung finden, deren Inanspruchnahm...