Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizkosten. Produkttheorie. selbst genutztes Hausgrundstück. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
1. Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten gem § 22 SGB 2 errechnet sich aus dem Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter (Produkttheorie).
2. Dies gilt auch bei selbstgenutztem Haus- oder Wohnungseigentum, das unter dem Verwertungsschutz aus § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 steht.
3. Es ist nicht gerechtfertigt, auf die nicht angemessene Fläche des bewohnten Hauses im Rahmen der Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB 2 als Vergleichsmaßstab abzustellen.
Orientierungssatz
1. Im einstweiligen Anordnungsverfahren sind Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unzumutbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen.
2. Werden im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB 2 geltend gemacht, so ist beim Anordnungsanspruch die Angemessenheit dieser Leistungen vom Gericht zu überprüfen. Bei der Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft ist der untere Bereich für vergleichbare Wohnungen maßgeblich.
3. Für vier Personen erscheint eine Wohnfläche von 90 qm. als angemessen. Bewohnen die Antragsteller ein eigenes Haus mit größerer Wohnfläche, so ist es nicht gerechtfertigt, auf die nicht angemessene Fläche des bewohnten Hauses als Vergleichsmaßstab abzustellen.
4. Der Ansatz einer angemessenen Wohnfläche für eine im eigenen Haus lebende Bedarfsgemeinschaft ist bei der Berechnung der Leistung für Unterkunft und Heizung dann zulässig, wenn es möglich erscheint, dass die Bedarfsgemeinschaft eine derartige angemessene Wohnungsgröße findet. Das ist dann der Fall, wenn mehr für das Vorhandensein von angemessenem Wohnraum spricht als dagegen, so dass eine Umzugsmöglichkeit überwiegend realistisch ist.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 30. September 2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Streitig ist die Höhe der den Antragstellern zustehenden Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Sozialgesetzbuch 2. Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Der im Jahre 1944 geborene Antragsteller zu 2) bezog seit Januar 2003 Arbeitslosenhilfe, zuletzt in Höhe von 271,04 Euro wöchentlich. Seine im Jahre 1966 geborene Ehefrau, die Antragstellerin zu 1), bezog zuletzt Arbeitslosenhilfe in Höhe von 106,40 Euro.
Vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 erhielt der Antragsteller zu 2) antragsgemäß Leistungen nach dem SGB II für die Antragstellerin zu 1) sowie die beiden in den Jahren 1994 und 1997 geborenen Kinder. Die Antragsgegnerin zahlte ferner Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 1354,- Euro. Grundlage dieser Kosten ist ein von den Antragstellern bewohntes Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 105 qm. Haus und Grundstück haben sie im Jahre 1997 laut den von ihnen vorgelegten Verträgen zu einem Preis von 371.070,- DM (189.725,08 EUR) erworben. Zur Finanzierung haben sie mehrere Darlehen aufgenommen. Das erste Darlehen über 112.484,21 Euro belief sich am 01.01.2003 noch auf einen Schuldenstand von 106.996,10 Euro, das zweite Darlehen über 42.948,52 Euro am 01.01.2003 auf einen von 40.450,25 Euro sowie ein drittes Darlehen über 15.850,05 Euro am 01.01.2003 auf 12.397,17 Euro. Aus diesen Darlehen, die die Antragsteller jedenfalls seit Januar 2003 nicht mehr getilgt haben, errechnen sich Schuldzinsen in Höhe von 1100,21 Euro, die zusammen mit Nebenkosten in Höhe von 193,64 Euro sowie Kosten für Strom in Höhe von 92,- Euro monatlich den Betrag von 1354,- Euro ausmachen. Bereits mit Schreiben vom 23.11.2004 wurde der Antragsteller von der Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass die gewährten Leistungen für Unterkunft und Heizung unangemessen seien. Es wurde anheim gestellt, sich um eine angemessene Wohnung zu bemühen. Weiterhin wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass nach Ablauf einer Frist die Kosten für Unterkunft und Heizung gekürzt werden könnten. Die Antragsgegnerin erläuterte, dass für einen 4-Personen-Haushalt eine Gesamtfläche von bis zu 90 qm als angemessen anzusehen sei. Das bei den angemessenen Unterkunftskosten zu berücksichtigende örtliche Mietpreisniveau in L belaufe sich auf höchstens 590,- Euro monatlich (entspricht 6,55 Euro pro qm) zuzüglich Heizkosten von 72,- Euro monatlich. Die Antragsteller reagierten darauf nicht.
Mit Bescheid vom 22.06.2005 gewährte die Antragsgegnerin ihnen für die Zeit von Juli 2005 bis Dezember 2005 weiterhin Arbeitslosengeld II, allerdings Kosten für Unterkunft und Heizung lediglich in Höhe von nur 662,- Euro monatlich...