Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund der Betriebsprüfung bei einer GmbH

 

Orientierungssatz

1. Rechtsbehelfe gegen Beitragsbescheide prüfender Rentenversicherungsträger nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB 4 haben nach § 7a Abs. 7 S. 1 SGB 4 keine aufschiebende Wirkung.

2. Ob die aufschiebende Wirkung durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers mit dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes. Entscheidend ist, ob zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht.

3. Hat der Rentenversicherungsträger eine GmbH hinsichtlich des Geschäftsführers aufgrund einer Betriebsprüfung mit der Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Anspruch genommen und hat die Einzugsstelle durch entgegenstehenden Bescheid festgestellt, dass der Geschäftsführer wegen Nichtvorliegens einer abhängigen Beschäftigung der Versicherungspflicht nicht unterliegt, so ist die aufschiebende Wirkung des gegen den Nachforderungsbescheid erhobenen Rechtsbehelfs anzuordnen.

4. Weder eine Umfirmierung der GmbH noch eine Erweiterung des Unternehmensgegenstandes stellen eine Erledigung auf andere Weise i. S. von § 39 Abs. 2 SGB 10 dar.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13.4.2015 geändert. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22.10.2014 wird abgelehnt, soweit die Antragsgegnerin die für Frau T S in der Zeit vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2013 gezahlten Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 17.983,24 Euro beanstandet hat. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Antragsgegnerin drei Viertel, die Antragstellerin ein Viertel.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 15.225,71 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs gegen einen Betriebsprüfungsbescheid der Antragsgegnerin, mit dem diese sie auf Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Anspruch nimmt.

Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Stammkapital 25.000,00 Euro beträgt. Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin war zunächst Frau T S, die mit notariellem Vertrag vom 22.7.2004 ihre sämtlichen Geschäftsanteile auf ihren Vater E I übertrug. Mit Gesellschafterbeschluss vom 31.8.2004 wurde sie als Geschäftsführerin abberufen und ihr Ehemann N S (im Folgenden: Geschäftsführer) zum alleinigen Geschäftsführer der Antragstellerin bestellt.

Die Antragstellerin meldete den Geschäftsführer sodann gegenüber der zuständigen Einzugsstelle, der AOK Westfalen-Lippe, zur Sozialversicherung an. Die Einzugsstelle stellte nach Prüfung durch Bescheid vom 28.12.2004 jedoch fest, dass der Geschäftsführer in seiner Tätigkeit bei der Antragstellerin ab dem 1.9.2004 nicht der Versicherungspflicht unterliege: in der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung schon deshalb nicht, weil er mit seinem Gehalt die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreite, in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung nicht, weil er nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe.

Mit notariell beurkundetem Schenkungs- und Abtretungsvertrag vom 13.4.2007 (Urkundsrolle-Nr. 00/2007 Kr) übertrug der zwischenzeitliche Alleingesellschafter I seine Gesellschafteranteile insgesamt wieder zurück auf seine Tochter, Frau S. Die Antragstellerin - ursprünglich mit dem Firmennamen "S-Reinigungsbedarf GmbH" - firmierte ab dem 8.5.2007 unter dem Namen "S Steinbodensanierung GmbH" und erweiterte ihren Unternehmensgegenstand ab demselben Datum um die Durchführung von Gebäudereinigungen und das Fliegen-, Platten- und Mosaiklegehandwerk sowie alle damit in Zusammenhang stehenden Arbeiten.

Am 16.5.2008 stellte die Antragstellerin für Frau S als mitarbeitende Alleingesellschafterin gegenüber der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) einen Antrag auf Statusfeststellung nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Mit Bescheiden vom 3.9.2008 lehnte die DRV Bund gegenüber der Antragstellerin und Frau S die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens ab, da die für die Entscheidungsfindung notwendigen Unterlagen nicht eingereicht worden seien. Der Zugang der Bescheide wird jeweils bestritten.

Die Antragsgegnerin führte bei der Antragstellerin am 12. und 27.1.2010 eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV für den Prüfungszeitraum vom 1.8.2006 bis zum 31.12.2009 durch. Im Protokoll der Schlussbesprechung vom 12.1.2010 hielt die damalige Betriebsprüferin im Beisein der Steuerberater der Antragstellerin unter anderem fest, dass sich seit der letzten Betriebsprüfung die Verhältnisse innerhalb der Gesellschaft nicht geändert hätte...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge