Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Teilnahmepflicht eines Belegarztes am ärztlichen Notfalldienst. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Grundsätzlich ist jeder Vertragsarzt zum Notfalldienst verpflichtet. Die belegärztliche Tätigkeit steht dem nicht entgegen.
2. Der in der Notfalldienstverpflichtung liegende Eingriff in die Berufsfreiheit ist auch dann hinzunehmen ist, wenn er für den einzelnen Vertragsarzt besondere, über das übliche Maß hinausgehende Unannehmlichkeiten und Erschwernisse mit sich bringt. Erst beim Vorliegen schwerwiegender Gründe kann die Grenze der Zumutbarkeit überschritten und eine Befreiung des Betroffenen geboten sein (vgl BSG vom 18.10.1995 - 6 RKa 66/94).
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 04.02.2011 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Heranziehungsbescheid der Antragsgegnerin zum ärztlichen Notfalldienst.
Mit Bescheid vom 17.12.2010 zog die Bezirksstelle N I der Antragsgegnerin den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen und am Evangelischen Krankenhaus (EVK) N als Belegarzt tätigen Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zum allgemeinen ärztlichen Notfalldienst für die Zeit vom 01.02.2011 bis zum 31.01.2012 heran. Ausweislich der Anlage zu diesem Bescheid ist der Antragsteller verpflichtet worden, drei "Sitzdienste" in einer Notfallpraxis (20.02., 15.06.2011 und 06.01.2012) und zwei Fahrdienste (20.03.und 17.09.2011) wahrzunehmen. Ein zuvor von ihm gestellter Antrag auf Befreiung vom Notfalldienst wegen des Umfangs seiner belegärztlichen Tätigkeit blieb erfolglos (Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.11.2010). Der hiergegen gerichtete Widerspruch ist wie der Widerspruch gegen den Heranziehungsbescheid vom 17.12.2010 bislang nicht beschieden.
Unter dem 26.01.2011 hat der Antragsteller beim SG um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und vorgetragen: Im Rahmen der Interessenabwägung überwiege sein Interesse an der Aussetzung der Vollziehung, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Heranziehungsbescheides bestünden. Er sei belegärztlich tätig. Sämtliche Heranziehungen kollidierten mit den belegärztlichen Not- bzw. Nacht- und Wochenenddiensten. Die Ausübung der belegärztlichen Tätigkeit müsse sichergestellt sein. Bei gleichzeitiger belegärztlicher Einteilung sei es nicht möglich, Sitzdienst im Notfalldienstbezirk H/N/X auszuüben. Die Voraussetzungen für eine Befreiung lägen vor. Zudem habe die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht ausreichend begründet.
Der Antragsteller hat sinngemäß beantragt,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Heranziehungsbescheid der Antragsgegnerin vom 17.12.2010 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass Rechtsgrundlage für die Einrichtung des Notfalldienstes § 75 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei und meint, die Anordnung der sofortigen Vollziehung ausreichend begründet zu haben.
Mit Beschluss vom 04.02.2011 hat das SG den Antrag abgelehnt. Der statthafte und im Übrigen zulässige Antrag sei unbegründet. Rechtsgrundlage für die gerichtliche Prüfung sei § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Hiernach entscheide das Gericht nach Ermessen aufgrund einer Ermessensabwägung (wird ausgeführt). Das im Hauptsacheverfahren - hier Widerspruchsverfahren - verfolgte Begehren des Antragstellers habe nach summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Heranziehungsbescheides bestünden nicht. Die Frage danach, ob Befreiungstatbestände griffen, sei nicht rechtserheblich. Der angefochtene Bescheid sei formell rechtmäßig. Nach §§ 4 Abs. 2 Satz 1, 6 Abs. 1 der Gemeinsamen Notfalldienstordnung (GNO) der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) und der Antragsgegnerin vom 12.12.2001/26.01.2002 entscheide der jeweilige Bezirksstellenleiter der Antragsgegnerin in allen Notfalldienstangelegenheiten seines Bezirksstellenbereichs. Die Heranziehung zum Notfalldienst erfolge gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 GNO durch Verwaltungsakt. Der Heranziehungsbescheid sei auch materiell rechtmäßig. Ein Vertragsarzt übernehme als Mitglied der KV mit seiner Zulassung die Verpflichtung, in zeitlicher Hinsicht umfassend für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung zu stehen. Das umfasse auch die Zeiten außerhalb der Sprechstunde. Der einzelne Arzt werde dadurch, dass die gesamte Ärzteschaft einen Notfalldienst organisiere, von der täglichen Dienstbereitschaft rund um die Uhr entlastet, müsse dafür aber den Notfalldienst gleichwertig mittragen, solange er in vollem Umfang vertragsärztlich tätig ist. Die KV könne - gegebenenfalls zusammen mit der Ärztekammer - Regelungen in Satzungsform über die Ge...