Entscheidungsstichwort (Thema)
(Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Gesundheitserstschaden. MS-Erkrankung. haftungsbegründende Kausalität. Hepatitis-B-Impfung. aktueller wissenschaftlicher Kenntnisstand. Medizinstudentin -
Orientierungssatz
Nach dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand gibt es keine Hinweise für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Hepatitis-B-Impfung und der Auslösung einer MS.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 18.11.2019 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen um die Anerkennung einer Impfung als Arbeitsunfall.
Die 1964 geborene Klägerin, Fachärztin für Neurologie, wurde zu Beginn ihres Medizinstudiums gemäß den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) am 25.11.1997, 01.12.1997 und letztmalig am 14.05.1998 gegen Hepatitis B geimpft. Für alle drei Impfungen wurde eine aktive Immunisierung mit Gen HB-VAX (HBV) durchgeführt. Im Anschluss an die letzte Impfung traten am 16.05.1998 erstmals Dysästhesien, am 18.05.1998 eine Kraftminderung des rechten Beins und am 20.05.1998 eine solche der rechten Hand auf. Im Universitätsklinikum S. wurde die Klägerin vom 20. bis 26.05.1998 unter der Verdachtsdiagnose einer Myelitis stationär behandelt. Im April 2000 wurde im Universitätsklinikum B. erstmals die Diagnose Multiple Sklerose (MS) gestellt und vom zweiten Schub der MS ausgegangen (Arztbrief vom 16.05.2000).
Im Juni 2006 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten ihre MS-Erkrankung als Folge der Hepatitis B-Impfungen geltend. Die Beklagte leitete daraufhin ein Feststellungsverfahren ein und zog medizinische Unterlagen bei. Im Rahmen dieses Verfahrens richtete sie unter dem 11.04.2007 eine Anfrage an die Klägerin, die nach der Anrede folgenden Satz beinhaltet: "Sie erlitten am 14.05.1998 einen Arbeitsunfall" und mit der die Klägerin im Folgenden um Rücksendung des beigefügten Vordrucks "Eigene Angaben zur Person" nach dessen Ausfüllung gebeten wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Klägerin durch Schreiben der Beklagten vom 21.03. und 26.03.2007 bekannt, dass eine Begutachtung auf medizinischem Gebiet veranlasst und noch nicht abgeschlossen war.
Prof. Dr. O., Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum B. kam im Rahmen dieser Begutachtung im Juli 2007 zu dem Ergebnis, bei der Klägerin sei erstmals am 16.05.1998 ein erster Krankheitsschub einer MS aufgetreten. Hierbei handele es sich um eine autoimmunentzündliche und degenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems. Man gehe davon aus, dass bereits Monate bis Jahre vor dem ersten klinischen Ereignis pathologische Veränderungen im zentralen Nervensystem bestünden. Berücksichtige man dies, erscheine es unwahrscheinlich, dass durch die Hepatitis B-Impfung die Erkrankung einer MS ausgelöst worden sei. Ob durch die Impfung ein Schub einer MS ausgelöst werden könne, sei zurzeit anhand der zur Verfügung stehenden Literatur nicht abschließend beantwortbar.
Mit Bescheid vom 10.10.2007/Widerspruchsbescheid vom 12.12.2007 lehnte die Beklagte es ab, das Ereignis vom 14.05.1998 als Arbeitsunfall anzuerkennen und Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, da ein Ursachenzusammenhang zwischen der im Jahr 2000 diagnostizierten MS vom schubförmigen Verlaufstyp mit Erstsymptomen im Jahr 1998 und der 3. Hepatitis B-Impfung am 14.05.1998 nicht wahrscheinlich zu machen sei. In dem sich anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren S 13 U 424/97, Sozialgericht Münster (SG)/ L 15 U 511/11, Landessozialgericht (LSG) NRW kam Prof. Dr. D., Neurologische Klinik der I.-Universität V., in einem Gutachten vom 07.01.2009 zu dem Ergebnis, die MS als chronische Erkrankung des Zentralnervensystems sei nach der vorliegenden Datenlage eine Autoimmunerkrankung, deren Auslöser nicht eindeutig bekannt seien. Bei der Klägerin könne von einer schubförmigen, sehr langsam progredienten Verlaufsform der MS ausgegangen werden. Der Beginn der Erkrankung mit dem ersten klinischen Schubereignis und objektivierbarer zervikaler Myelitis sei auf den 16.05.1998, zwei Tage nach der dritten Hepatitis B-Impfung, zu datieren. Einen Anhalt, dass die HBV-Impfungen oder die Zusatzstoffe des Impfstoffes Auslöser der MS sein könnten, gebe es nicht. Mehrere große und nach dem Stand der Wissenschaft durchgeführte epidemiologische Studien hätten keinen Zusammenhang zwischen einer HBV-Impfung und einer MS feststellen können. Lediglich eine epidemiologische Studie, die allerdings methodische Mängel aufweise, lege diesen Verdacht nahe. Somit spreche nach geltender medizinisch-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr gegen als für den angeschuldigten Zusammenhang zwischen HBV-Impfung und Entstehung einer MS. Bei der Klägerin handele es sich am ehesten um eine schicksalhafte und von der HBV-Impfung unabhängige Entstehung der MS.
Im seinerzeitigen Berufungsverfahren ge...