Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der gerichtlichen Kontrolle eines Schiedsspruchs des Schiedsamtes im Kassenarztrecht
Orientierungssatz
1. Nach § 120 Abs. 2 SGB 5 werden die Leistungen der sozialpädiatrischen Zentren unmittelbar von den Krankenkassen vergütet. Die Vergütung wird von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Krankenhäusern oder deren Vertretungen vereinbart. Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, so setzt die Schiedsstelle nach § 18a KHG auf Antrag einer Vertragspartei die Vergütung fest.
2. Die gerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsspruch zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten hat (BSG Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 20/14 R).
3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage, und damit für die Kostenprognose, ist derjenige der Schiedsstellenentscheidung.
4. Die gerichtliche Kontrolle umfasst u. a. die in der Kostenkalkulation angesetzten Personalkosten. Die Gründe für das Entscheidungsergebnis der Schiedsstelle müssen wenigstens andeutungsweise erkennbar sein. Hierbei ist eine Prognose zulässig. Sollte sich diese nicht bewahrheiten, ist eine spätere Korrektur der festgesetzten Vergütungspauschale, ebenso wie bei Nichteintritt der übrigen Kostenprognose, systemfremd.
Normenkette
SGB V § 120 Abs. 2-4, §§ 89, 71, 70 Abs. 1; KHG § 18a
Tenor
Der Schiedsspruch der Beklagten vom 23.05.2016 wird insoweit aufgehoben, als die festgesetzte Quartalspauschale je Behandlungsfall einen Betrag von 171,00 EUR übersteigt, und die Beklagte verpflichtet, über den Antrag der Beigeladenen auf Festsetzung der Vergütung ihres sozialpädiatrischen Zentrums für die Zeit ab 01.01.2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu entscheiden.
Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens zu 9/10 als Gesamtschuldner. Die Kläger tragen 1/10 der Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Quartalspauschale je Behandlungsfall für das von der Beigeladenen geführte Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ).
Die Beigeladene ist Trägerin des SPZ der Kinderklinik am K Klinikum N. Durch Beschluss vom 26.03.2014, geändert durch Beschluss des Zulassungsausschusses der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk Detmold vom 17.06.2015 wurde das SPZ für die Zeit vom 01.07.2014 befristet bis zum 31.12.2018 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 119 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ermächtigt für die sozialpädiatrische Behandlung von Kindern und Jugendlichen auf Überweisung von zugelassenen sowie in zugelassenen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und/oder Vertragsarztpraxen angestellter Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin, Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Orthopädie bzw. Orthopädie und Unfallchirurgie, Neurologie, Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Aufnahme der Tätigkeit des SPZ erfolgte zum 01.07.2015.
Nachdem die zwischen den Klägern und der Beigeladenen geführte Verhandlung am 28.10.2014 gescheitert war, beantragte die Beigeladene mit Schreiben vom 26.02.2015 von der Beklagten, die Vergütung auf 448,65 EUR festzusetzen. Demgegenüber beantragten die Kläger, den Antrag der Beigeladenen zurückzuweisen, hilfsweise die Vergütung auf 171,00 EUR je Behandlungsfall ab Erfüllung der formalen Leistungsvoraussetzungen festzusetzen.
Die Beklagte schrieb unter dem 25.04.2016 sechs SPZ in Westfalen-Lippe an mit der Bitte um Beantwortung der folgenden Fragen (basierend auf den Daten für 2014):
1. Wie hoch sind Ihre Mietkosten pro Quadratmeter?
2. Wie viele Vollzeitkräfte (VK) arbeiten im ärztlichen bzw. im nicht ärztlichen Dienst?
3. Wie hoch sind die durchschnittlichen Personalkosten bei welcher zugrunde gelegten Fallzahl? 4. Wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten pro VK?
Hierauf gingen vier Antwortschreiben ein, drei davon beantworteten die Fragen vollständig, eins mit Ausnahme der Frage 2 und der Fallzahl.
An die Kläger richtete die Beklagte folgende Fragen:
1. Nennen Sie die Höhe der jeweiligen Leistungsvergütungen der in Westfalen-Lippe angesiedelten SPZs mit Ausnahme der SPZs, die vorwiegend audiologisch tätig sind.
2. Machen Sie Angaben i.S. der Rechtsprechung des BSG vom 13.05.2015 Rn. 46, ob die zum Vergleich herangezogenen SPZs in kirchlicher oder nicht kirchlicher Trägerschaft befinden. Gibt es in der Höhe der Vergütung Unterschiede zwischen dem kirchlichen und dem nichtkirchlichen Vergütungsrecht?
3. Wie hoch sind die Mietkosten in den zum Vergleich heranzuziehenden SPZs?
4. Wie hoch sind die Kosten des ärztlichen bzw. des nicht ärztlichen Dienstes pro Fall in den anderen SPZs?
Die Kläger haben die Fragen 1 und 2 mit Schreiben vom 12.05.2016 beantwortet. Zu Frage 3 und 4 haben sie mitgeteilt, dass ihnen aktuell keine Übersichten über Mietkosten der jeweiligen SPZs vorliegen, da die vorliegenden Kalkulationen überwiegend älter als 10 Jahre seien. Die Kalkulationen gäben auch keinen...