Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattungsanspruch eines unzuständigen Leistungsträger gegenüber dem zuständigen Leistungsträger
Orientierungssatz
1. Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB 10 vorliegen, so ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger nach § 105 Abs. 1 SGB 10 erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des Anderen Kenntnis erlangt hat. Die Regelung gilt nach § 9 Abs. 3 AsylbLG für die Träger der Leistungen nach dem AsylbLG entsprechend.
2. Der Erstattungsanspruch setzt voraus, dass die vom unzuständigen Leistungsträger erbrachten Leistungen zeitlich kongruent und gleichartig mit den Leistungen sind, die der zuständige Leistungsträger hätte erbringen müssen. Die nach dem AsylbLG gewährten Leistungen dienen ebenso wie die nach dem SGB 2 an sich zu erbringenden Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts, falls eigene oder sonstige bereite Mittel hierzu nicht zur Verfügung stehen.
3. Der Erstattungsanspruch ist ausgeschlossen, wenn er durch rechtswirksam erklärte Aufrechnung untergegangen ist. Im Sozialrecht finden die bürgerlich-rechtlichen Grundsätze über die Aufrechnung entsprechende Anwendung. Die Aufrechnung nach § 389 BGB bewirkt, dass gegenseitige, gleichartige und fällige Forderungen, soweit sie sich decken, nach entsprechender Aufrechnungserklärung und ohne dass Aufrechnungshindernisse bestehen, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenüber getreten sind, vgl. BSG, Urteil vom 17. November 1999 - B 6 KA 14/99 R.
4. Dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 2. Halbs. SGB 2 a. F. steht nicht entgegen, wenn der Leistungsempfänger zum Kreis der Berechtigten nach § 2 AsylbLG gehört. Auch der Empfänger von sozialhilfe-analogen Leistungen nach § 2 AsylbLG sind Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG, vgl. BSG, Urteile vom 13. November 2008 - B 14 AS 24/07 R sowie vom 10. November 2011 - B 8 SO 18/10 R.
5. Für eine Kenntnis von den Voraussetzungen der Leistungspflicht i. S. von § 105 Abs. 3 SGB 10 genügt die Kenntnis der Hilfebedürftigkeit des Leistungsempfängers. Im Rahmen von § 105 Abs. 3 SGB 10 gelten die gleichen Maßstäbe wie bei der Anwendung des Kenntnisgrundsatzes gemäß § 18 Abs. 1 SGB 12 und gemäß § 5 Abs. 1 BSHG im Leistungsrecht.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 08.04.2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klägerin die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.249,86 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über Erstattungsansprüche wegen der Leistungserbringung als unzuständiger Leistungsträger.
Dem Erstattungsstreit liegen Leistungsansprüche der 1945 geborenen G B (im Folgenden: Leistungsempfängerin) im Jahr 2005 zugrunde. Die Leistungsempfängerin mit ungeklärter Staatsangehörigkeit war im Jahr 1978 aus dem Libanon in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Mit Einweisungsbescheid vom 21.03.1978 wurde sie in das Gebiet der Klägerin eingewiesen. Das Asylverfahren wurde durchgeführt und 1986 erfolglos rechtskräftig abgeschlossen. Fortan erhielt die Leistungsempfängerin Duldungen und ab dem 17.09.1991 eine befristete Aufenthaltsbefugnis gemäß § 32 Ausländergesetz in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung (AuslG) i.V.m. Ziffer 2.4 des Runderlass des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25.06.1991 (MinBl. NRW 1991, S. 1063), zuletzt geändert durch Erlass vom 18.08.1992 (MinBl. NRW 1992, S. 1334), worin u.a. angeordnet wurde, dass Palästinensern aus dem Libanon, die vor dem 31.12.1988 in das Bundesgebiet eingereist waren, eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen und zu verlängern ist. Die Aufenthaltsbefugnis wurde fortlaufend verlängert, zuletzt am 06.09.2004 bis zum 06.09.2006. Die der Leistungsempfängerin erteilten Aufenthaltstitel, die stets auch in ihrem jeweils gültigen Reisedokument eingetragen waren, enthielten dabei den Zusatz: "Selbstständige Erwerbstätigkeit oder vergleichbare unselbstständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet. Arbeitserlaubnispflichtige Erwerbstätigkeit nur gemäß gültiger Arbeitserlaubnis gestattet." Am 15.09.2006 wurde der Leistungsempfängerin eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt. Der Aufenthaltstitel enthielt den Zusatz: "Erwerbstätigkeit erlaubt".
Die Leistungsempfängerin lebte im Jahre 2005 zusammen mit ihrem 1938 geborenen Ehemann in einer Wohnung im Gebiet der Klägerin. Bis Mitte 2005 war für diese Wohnung eine Gesamtmiete inklusive Heizkostenvorauszahlung von 495,11 Euro monatlich zu zahlen. Spätestens ab August 2005 betrug die Gesamtmiete inklusive Heizkosten 498,51 Euro. Bis zum 31.12.2004 erhielt die Leistungsempfängerin Sozialhilfe von der Klägerin.
Auf ihren Antrag vom 26.10.2004 bewilligte die Rechtsvorgängerin des Beklagten der Leist...