rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 06.10.1998; Aktenzeichen S 10 RJ 243/97) |
Nachgehend
BSG (Aktenzeichen B 5 RJ 24/99 R) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.10.1998 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Einstellung der Rentenzahlung ab November 1997.
Der am ...1928 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger, lebt seit September 1961 in Chile und wohnt auf dem Gelände der ehemaligen "Sociedad Benefactora y Educacional D." (der sogenannten Colonia D. - CD -).
Ohne Anhörung des Klägers stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29.09.1997 die Zahlung der ab 01.11.1993 bewilligten Altersrente mit Ablauf des Monats Oktober 1997 ein: Nach §§ 2 Abs. 2 und 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I bestehe für den Rentenversicherungsträger eine Obhutspflicht, dafür zu sorgen, daß jeder Berechtigte die ihm vom Gesetz zugedachte Rente auch tatsächlich erhalte und für sich nutzen könne. Aufgrund der in der CD herrschenden Verhältnisse sei davon auszugehen, daß der Kläger aufgrund des von der Leitung der CD ausgeübten Zwanges die Rente tatsächlich nicht nutzen könne. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die Rentenzahlung seine persönliche Situation noch verschlechtere, indem die Geldleistung letztlich allein der Führung der CD dabei helfe, seine Abhängigkeit aufrecht zu erhalten. Die Obhutspflicht könne nur realisiert werden, indem die Rentenzahlung vorläufig eingestellt werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.1997 wies die Beklagte den Widerspruch vom 23.10.1997 als unbegründet zurück und berief sich dabei u.a. auf zwei Urteile des Bundessozialgerichts vom 22.02.1995 (4 RA 54/93 und 4 RA 44/94, SozR 3-1200 § 66 Nr. 3). Aus dessen Ausführungen lasse sich entnehmen, daß der Sozialversicherungsträger seine Leistung dann einstellen müsse, wenn nicht gewährleistet sei, daß die Zahlung vom Berechtigten in freier Selbstbestimmung genutzt werden könnte. Denn der ungehinderte Zufluß der Zahlung sei eine der Voraussetzungen der Leistung. Hier beständen ernsthafte Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger infolge des von der Führung der CD ausgeübten Zwanges geschäftsunfähig sei. Abgesehen von der vorläufigen Zahlungseinstellung habe sie keine weitere Handhabe, um die ihr auferlegte Obhutspflicht zu realisieren.
Mit seiner Klage ist der Kläger der Rechtauffassung der Beklagten entgegengetreten. Für die Einstellung der Regelaltersrente bestehe keine Rechtsgrundlage. Im übrigen seien die Bescheide unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft.
Mit Urteil vom 06.10.1998 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 29.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.1997 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die seit dem 01.11.1997 eingestellte Rentenzahlung wieder aufzunehmen und dem Kläger die Rente auszuzahlen. Die Klage sei zulässig und begründet. Hinsichtlich der Prozeßfähigkeit des Klägers bestünden keine Bedenken. Aus den allgemeinen Zuständen innerhalb der CD könne nicht auf den Einzelfall des Klägers geschlossen werden. Die §§ 2 Abs. 2, 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I beeinhalteten keine Ermächtigungsgrundlage für die Einstellung der Rente. Hierfür stehen dem Leistungsträger nur die §§ 60 ff. SGB I zur Verfügung. Diesen Weg habe die Beklagte ausweislich der Begründung der angefochtenen Entscheidungen nicht gewählt. Insoweit scheide auch eine Umdeutung in eine Leistungsentziehung im Sinne von § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I aus, zumal bei unterbliebener Mitwirkung des Leistungsempfängers die Entziehung der Leistung im Ermessen des Leistungsträgers stehe. Die Beklagte sei auch zur Zahlung der seit November 1997 einbehaltenen Regelaltersrente zu verpflichten gewesen. Das Verhalten der Beklagten zeige, daß allein mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide dem Rechtsschutzinteresse des Klägers nicht ausreichend Rechnung getragen werde.
Gegen das ihr am 16.11.1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.12.1998 Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, sie habe als Sozialleistungsträgerin eine Obhutspflicht, dafür Sorge zu tragen, daß Sozialleistungen die Leistungsberechtigten tatsächlich erreichen. Nach den bekannt gewordenen Umständen in der CD hätten sich Gründe der Versagung bzw. Entziehung herausgestellt, die vorliegend zu beachten seien. Dazu hat sich die Beklagte auf einen Bericht eines Dr. David Becker vom 14.10.1997 über die Verhältnisse in der CD berufen. Ferner habe sich bei einem Rentensprechtag in Chile am 19.10.1994 die Vermutung bestätigt, daß nach wie vor Zwang auf die Mitglieder der CD ausgeübt werde. Wenn sie ihrer Obhutsverpflichtung nachkommen wolle, müsse sie als Ultima Ratio in der speziellen Situation der CD anders als mit den Maßnahmen nach den §§ 60 ff. SGB I, der Einleitung eines Betreuungsverfahrens oder der Hinterlegung von Geld zu einer vorläufigen Zahlungseinstellung berechtigt sein.
Über den Zustand des Klägers habe s...