Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der Klage. Beteiligung sozial erfahrener Dritter am Vorverfahren. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Überprüfungsverfahren. Nachzahlung von Sozialhilfe. Verzinsung des Nachzahlungsanspruchs. Beginn der Verzinsung erst frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des Überprüfungsantrags beim Leistungsträger

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine Verzinsung (§ 44 SGB 1) einer nach § 44 SGB 10 erfolgten Nachzahlung von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB 12 abgelehnt, so sind im Widerspruchsverfahren keine sozial erfahrenen Dritten iS von § 116 Abs 2 SGB 12 beratend zu beteiligen.

2. Bei solchen Nachzahlungsansprüchen beginnt die Verzinsungspflicht frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Eingang des Antrags auf Überprüfung nach § 44 SGB 10. "Leistungsantrag" iS von § 44 Abs 2 SGB 1 ist (erst) der Überprüfungsantrag. Der ursprüngliche Antrag auf die Sozialleistung ist nicht maßgebend, da dieser vor der Zugunstenentscheidung bereits bestandskräftig beschieden war.

 

Nachgehend

BSG (Vergleich vom 17.12.2014; Aktenzeichen B 8 SO 17/13 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 30.11.2012 geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Verzinsung eines Nachzahlungsanspruches aus § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X).

Der am 00.00.1982 geborene, nicht unter gesetzlicher Betreuung stehende Kläger ist schwerstbehindert (Grad der Behinderung von 100, Merkzeichen "G", "aG" und "H" sowie Pflegestufe II in der Gesetzlichen Pflegeversicherung). Im Jahr 2001 wurde er in eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) aufgenommen, in der er seit Herbst 2003 im Arbeitsbereich tätig ist. Seit Februar 2003 steht der Kläger durchgängig im Leistungsbezug bei der Beklagten, die ihm seit dem 01.01.2005 Leistungen nach dem Vierten und Fünften Kapitel Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) gewährt. Im Rahmen der Bedarfsberechnung der jeweils bestandskräftig gewordenen Bewilligungsbescheide über Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII berücksichtigte die Beklagte insbesondere seit dem 01.01.2006 80% des Eckregelsatzes (§ 3 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 28 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung - Regelsatzverordnung (RSV)) nach § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, den sie wegen (Mittags-)Verpflegung in der WfbM um 10,6% kürzte. Als Einkommen des Klägers legte die Beklagte neben dem (um Werbungskosten und Freibeträge) bereinigten Werkstatteinkommen monatlich Kindergeld zugrunde, welches dem Vater des Klägers zustand und nicht an den Kläger weiter geleitet wurde.

Innerhalb des laufenden Leistungszeitraumes von Oktober 2010 bis September 2011 stellte der Kläger - anwaltlich vertreten - am 15.12.2010 bei der Beklagten "im Hinblick auf alle bisher ergangenen Leistungsbescheide nach dem SGB XII" einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, weil ihm in der Vergangenheit Leistungen in zu geringer Höhe bewilligt worden seien. Gleichzeitig legte er Widerspruch gegen den letzten (den Bewilligungszeitraum ab Oktober 2010 betreffenden) Leistungsbescheid der Beklagten vom 22.11.2010 ein.

Mit Bescheid vom 04.02.2011 gab die Beklagte dem Überprüfungsantrag statt und bewilligte dem Kläger unter entsprechender Abänderung der ursprünglichen Leistungsbescheide Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 30.09.2010 ohne Anrechnung des Kindergeldes sowie unter Berücksichtigung eines Regelsatzes von 100 % (abzüglich 10,6 % wegen der Teilnahme des Klägers an dem Mittagstisch der WfbM) und eines daraus resultierenden höheren Mehrbedarfs wegen Schwerbehinderung für die Zeit vom 01.07.2007 bis 30.09.2010. Hieraus ergab sich ein Nachzahlungsbetrag i.H.v. insgesamt 12.114,90 EUR, den die Beklagte noch im Februar 2011 an den Kläger auskehrte. Die genauen Einzelheiten der Berechnung des Nachzahlungsbetrages ergeben sich aus Blatt 592 f. der Verwaltungsvorgänge der Beklagten, auf die Bezug genommen wird. Am 04.03.2011 erklärte der Kläger den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.11.2010 für erledigt, bat jedoch zugleich, die Zinsen für den mit Bescheid vom 04.02.2011 gewährten Nachzahlungsbetrag auf das Konto seiner Bevollmächtigten zu überweisen.

Mit Bescheid vom 17.03.2011 lehnte die Beklagte eine Verzinsung des Nachzahlungsbetrags ab. Zwar seien Ansprüche auf Geldleistungen gemäß § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung zu verzinsen. Gemäß § 44 Abs. 2 SGB I beginne die Verzinsung jedoch frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags und damit hier (frühestens) am 01.07.2011; ...

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