Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung einer Ghetto-Beschäftigung als Beitragszeit nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto. Ghetto Wilna. eigener Willensentschluss. Zwangsarbeit. Lebensmittelbezug
Orientierungssatz
Zur Glaubhaftmachung einer Beschäftigung iS des § 1 Abs 1 S 1 Nr 1 ZRBG im Ghetto Wilna in der Zeit von September 1941 bis September 1943.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.04.2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG wegen einer Beschäftigung im Ghetto Wilna von September 1941 bis September 1943.
Der 1919 in ... geborene Kläger ist jüdischen Glaubens und als Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt. Er lebt heute in Israel, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.
Im Entschädigungsverfahren nach dem BEG gab der Kläger mit Erklärung vom 13.06.1955 an, er sei im Juni 1941 zur Zwangsarbeit herangezogen worden und habe dann im September 1941 im Ghetto Wilna alle möglichen Zwangsarbeiten machen müssen, insbesondere Reinigungsarbeiten. Im Lazarett Ostland habe er nach einiger Zeit als "schwarzer Arbeiter" zwangsarbeiten müssen.
Im Entschädigungsverfahren vor der Jewish Claims Conference gab der Kläger mit Erklärung vom 08.07.1993 an, er sei im Ghetto Wilna gezwungen worden zu arbeiten. Man habe ihn unter strenger Bewachung jeden Tag zum Ostland- Lazarett geführt.
Am 05.11.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung der Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). In dem von der Beklagten übersandten Fragebogen für die Anerkennung von Zeiten unter Berücksichtigung des ZRBG gab der Kläger an, er sei von September 1941 bis September 1943 im Ghetto Wilna gewesen. Er habe dabei außerhalb des Ghettos im Ostland- Lazarett gearbeitet und dort als Gehilfe für alle Spitalarbeiten Reinigungs- und Sanitätsarbeiten verrichtet. Täglich habe er 8 bis 9 Stunden gearbeitet und dafür ein Mittagessen, Produkte und Lebensmittelcoupons erhalten. Einen Barlohn oder Sachbezüge habe er nicht bekommen.
Mit Bescheid vom 30.06.2004 lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Regelaltersrente an den Kläger ab, weil der Kläger im Ghetto Wilna Zwangsarbeit verrichtet habe. Auch stellten Lebensmittel kein ausreichendes Entgelt im Sinne des ZRBG dar.
Der Kläger widersprach und führte an, er habe von September 1941 bis September 1943 im Ghetto Wilna im Ostland Lazarett freiwillig gearbeitet. Für diese Arbeit habe er Sachbezüge erhalten. Angaben aus dem Entschädigungsverfahren dürften nicht als anspruchsvernichtend angesehen werden.
In einer Erklärung vom 23.01.2005 gab er an, er habe während der ganzen Zeit im Ostland Lazarett außerhalb des Ghettos gearbeitet. Dafür habe er Lebensmittelcoupons und ein Mittagessen sowie manchmal "Produkte" erhalten. Er habe die Tätigkeit durch das Arbeitsamt des Ghettos erhalten, weil er vorher zwei Jahre Medizin studiert gehabt habe. Die Chefärzte seien deutsche Militärärzte gewesen. Im September 1943 sei ihm bei der Liquidierung des Ghettos die Flucht gelungen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Eine Beschäftigung gegen Entgelt sei nicht überwiegend wahrscheinlich, da eine Entlohnung durch Lebensmittel nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes kein hinreichendes Entgelt darstelle. Auch sei nicht glaubhaft, dass es sich um ein freiwilliges Beschäftigungsverhältnis gehandelt habe, da der Kläger im Entschädigungsverfahren bei der Claims Conference angegeben habe, er sei zur Arbeit gezwungen worden.
Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft. Er habe von September 1941 bis September 1943 freiwillig als Arbeiter im Ostland Lazarett gearbeitet. Für diese Arbeit habe er einen Lohn in Form von Sachbezügen (tägliches Essen und wöchentlich zusätzliche Lebensmittel für zu Hause) sowie Lebensmittelcoupons erhalten. Alle Ghettoinsassen hätten den Aufenthalt und die Tätigkeiten als Zwang empfunden und dies so hervorgehoben. Die Angabe im Entschädigungsverfahren, es sei Zwangsarbeit verrichtet worden, rechtfertige daher die Ablehnung seines Rentenantrags nicht.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 26.04.2006 hat das Sozialgericht Düsseldorf die auf Gewährung einer Altersrente unter Anerkennung von Beitragszeiten nach dem ZRBG von September 1941 bis September 1943 gerichtete Klage abgewiesen.
Die Kammer habe schon begründete Zweifel, dass der Kläger tatsächlich - wie im Klageverfahren geschildert - während des gesamten geltend gemachten Zeitraums als Arbeiter im Ostland Lazarett beschäftigt gewesen sei, weil dies teilweise seinen zeitnähe...