Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Anerkennung einer im Ghetto ausgeübten freiwilligen entgeltlichen Beschäftigung als Beitragszeit
Orientierungssatz
1. Zur Anerkennung einer im Ghetto zurückgelegten Beitragszeit nach dem ZRBG ist erforderlich, dass im Ghetto eine aus eigenem Willensentschluss zustandegekommene Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt worden ist. Nach §§ 3 Abs. 1 S. 2 WGSVG, 1 Abs. 2 ZRBG ist eine Tatsache glaubhaft gemacht, wenn sie überwiegend wahrscheinlich ist.
2. Dazu muss zumindest erkennbar sein, für welchen Arbeitgeber und an welcher Arbeitsstätte die Beschäftigung bzw. der Einsatz erfolgt sein soll. Anderenfalls ist eine Anerkennung der geltendgemachten entgeltlichen Beschäftigung im Ghetto als Beitragszeit ausgeschlossen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.02.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Bewilligung einer Regelaltersrente an den in Israel lebenden Kläger. Es geht insbesondere darum, ob eine Beschäftigung im Sinne des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) anzuerkennen ist.
Der am 00.00.1921 in Przemysl/Polen geborene Kläger war in seiner Heimat wegen seines jüdischen Glaubens nationalsozialistischer Verfolgung ausgesetzt und ist deshalb als Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt.
Im entsprechenden Entschädigungsverfahren gab der Kläger vor der Kommission zur Feststellung der deutschen Sprach- und Kulturzugehörigkeit (dSK) unter dem 22.12.1969 unter anderem an, von 1927 bis 1934 die polnische Volksschule besucht und ab 1935 im Betrieb des Vaters (Sodawasserfabrikant) mitgearbeitet zu haben. Von 1939 bis 1942 sei er verfolgt gewesen und 1942 in das damalige Palästina eingewandert. Im Antrag wegen Schadens an Körper oder Gesundheit vom 07.04.1966 führte er aus, nach Ausbruch des Krieges im September 1939 nach Sandomierz geflüchtet zu sein. Dort seien schon die Deutschen gewesen und er habe gleich Zwangsarbeiten verrichten müssen. Dann, Frühling 1941, sei das Ghetto Sandomierz errichtet und geschlossen worden. Dort sei es fürchterlich gewesen; es hätten stets Judenaktionen stattgefunden, wobei Tausende Juden deportiert worden seien. Ende Mai 1942 sei es ihm gelungen, von dort zu flüchten. Tags habe er sich versteckt gehalten und nachts sei er, immer unter Todesangst, geschnappt zu werden, gewandert bis es ihm gelungen sei, illegal in die Slowakei zu gelangen. Von dort sei er weiter illegal bis nach Palästina geflüchtet, wo er im Oktober 1942 angekommen sei. Seine ganze Familie (Eltern, drei Schwestern und zwei Brüder) seien während der Verfolgung umgekommen. Im ärztlichen Zeugnis vom 28.12.1965 des Internisten Dr. D ist vermerkt, der Kläger habe bei der ersten Untersuchung erzählt, dass er bis zu Beginn der Verfolgung ein gesunder junger Bursche gewesen sei. Nach Beginn dieser habe er im Ghetto unter elenden Lebensbedingungen schwerste Zwangsarbeiten verrichten müssen, er sei mehrmals an fieberhaften Erkältungskrankheiten erkrankt, die unbehandelt geblieben seien und ebenfalls an einer Typhusinfektion. Es sei ihm gelungen, aus dem Ghetto zu flüchten und die Grenze zu überschreiten. Nach einer strapaziösen Wanderung über Rumänien und die Türkei sei ihm die Flucht nach Palästina geglückt. In einer eidesstattlichen Erklärung vom 25.03.1964 heißt es: "Nach Ausbruch des deutschpolnischen Krieges, September 1939, flüchtete ich aus meiner Heimatstadt und gelangte bis Sandomierz. Diese Stadt war bereits durch die Deutschen besetzt, als ich dort hin kam. Ich wurde zu verschiedenen Zwangsarbeiten - als Jude wegen meiner Rasse - herangezogen, welche ich unentgeltlich leisten musste. Im Frühling 1941, ungefähr Mai, wurde das Ghetto Sandomierz abgeschlossen. Es war mit einer Mauer umgeben, die oben mit Stacheldraht und Glasscherben besetzt war. Das Ghetto war streng durch deutsche und polnische Polizei bewacht. Ich wohnte dort in der Judengasse. Nach wie vor leistete ich Zwangsarbeit, die mir vom Arbeitsamt im Ghetto zugewiesen wurde. Der Judenälteste hieß H und der Leiter des Arbeitsamtes war S. Die Lage im Ghetto war fürchterlich. Es fanden oft Judenaktionen statt und dabei wurden Tausende von Juden deportiert. Bei diesen Aktionen kamen auch viele ums Leben. Am 31. Mai 1942 gelang es mir aus diesem Ghetto mit Hilfe eines polnischen Polizisten, den ich bestochen hatte, zu flüchten."
Unter dem 31.01.2005 beantragte der Kläger die Gewährung von Altersrente unter Anerkennung von Beitragszeiten im Ghetto. Er gab unter dem 29.03.2005 in dem ihm von der Beklagten übersandten Fragebogen an, während des Aufenthalts im Ghetto Sandomierz von Mai 1941 bis Mai 1942 als Lastenträger und im Säuberungskommando beschäftigt gewesen zu sein. Die Tätigkeit habe außerhalb des Ghettos stattgefunden und er sei auf...