Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Lkw-Fahrer

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn eine Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis nach Weisungen erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte und die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft gekennzeichnet.

2. Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob ein für ein Unternehmen tätiger Lkw-Fahrer als abhängig Beschäftigter oder als Selbständiger zu beurteilen ist.

3. Steht dieser als Fahrer in einer Dauerrechtsbeziehung zu dem Unternehmen, ist er in dessen Organisation eingegliedert, unterliegt er den Weisungen des Betriebs, erhält er eine vereinbarte Vergütung pro Arbeitsstunde und hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, so ist von dem Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

4. Dies gilt auch dann, wenn er in Ausnahmefällen berechtigt ist, einen einzelnen Transportauftrag abzulehnen. Das Fehlen von Ansprüchen auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und auf Urlaub rechtfertigt nicht die Annahme eines unternehmerischen Risikos.

 

Normenkette

SGB IV § 7a Abs. 1, 6, § 7 Abs. 1 S. 2, § 1 S. 1, §§ 14, 7 Abs. 4 S. 2; SGB III §§ 93, 25 Abs. 1 S. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB XI § 20 Abs. 1, 1 S. 1 Nr. 1; SGG § 197a Abs. 1 S. 1; GKG § 52 Abs. 1, 3, § 63 Abs. 2 S. 1

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 25.7.2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 15.500,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens (§ 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen einer für die Rechtsvorgängerin der Klägerin in der Zeit vom 3.9.2007 bis zum 30.10.2008 erbrachten Tätigkeit als Transportfahrer.

Bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der T GmbH, handelte es sich um ein Unternehmen, das als Teil der "T-Unternehmensgruppe" Speditionsdienstleistungen mit eigenen und angemieteten Tank-, Silo- und Planenzügen anbot. Die Unternehmensgruppe verfügt über Standorte in S (Stammsitz), L, C (Salzlandkreis, Sachsen-Anhalt) und - allerdings erst seit 2012 - in H (Landkreis U, Brandenburg). Im Streitzeitraum waren am Standort S in der Abteilung Planenzüge 100 bis 110 Fahrer beschäftigt.

Am 9.10.2006 nahm der Beigeladene zu 1) nach vorheriger Anmeldung eines Gewerbes mit der Bezeichnung "Dienstleistungen aller Art, überwiegend Fahrdienstleistungen" eine Tätigkeit als Transportfahrer auf. In der Annahme, er erbringe diese Dienstleistungen im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit, beantragte er am 10.10.2006 bei der Beigeladenen zu 3) die Gewährung eines Gründungszuschusses gemäß § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der ab dem 1.8.2006 geltenden Fassung (a.F.). Zur Erläuterung seiner Geschäftsidee erklärte er diesem Leistungsträger gegenüber, er wolle auf eigene Rechnung in der Transportbranche Lastkraftwagen (Lkw) fahren. Seine Kunden suche er selbst. Ziel sei die Anschaffung eines eigenen Lkw über 7,5 t.

Mit Bescheid vom 26.10.2006 bewilligte die Beigeladene zu 3) dem Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum vom 9.10.2006 bis zum 8.7.2007 einen Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gemäß § 57 SGB III a.F. in Höhe von monatlich 1.488,00 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen.

Im Zeitraum vom 3.9.2007 bis zum 14.11.2008 führte der Beigeladene zu 1) für die Rechtsvorgängerin der Klägerin Transportaufträge aus. Von dieser wurde er den ausschließlich mündlich getroffenen Absprachen zufolge insbesondere nach Auftreten krankheits- oder urlaubsbedingter Personalvakanzen beauftragt, mit Fahrzeugen ihrer Unternehmensgruppe bzw. - im Zeitraum vom 10.3.2008 bis zum 9.5.2008 - mit von ihr angemieteten Fahrzeugen Transportaufträge nach Maßgabe der von ihrem Disponenten festgelegten Tourenplanung durchzuführen. Eigene Fahrzeuge setzte der Beigeladene zu 1) bei Ausführung der Transportaufträge nicht ein.

Die mündliche Beauftragung erfolgte regelmäßig für die Dauer von jeweils etwa ein bis drei Wochen. Für die Tätigkeit erhielt der Beigeladene zu 1) einen Stundenlohn in Höhe von 13,00 EUR. Die Gewährung von Erholungsurlaub oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall war nicht vereinbart.

Auf dieser Grundlage wurde der Beigeladene zu 1) an folgenden Tagen für die Rechtsvorgängerin der Klägerin tätig.

Rechnungsdatum - Täti...

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