Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung einer Nebenkostennachforderung bei der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung
Orientierungssatz
1. Bei einem bestehenden Mietverhältnis des Grundsicherungsberechtigten gehören auch Nebenkosten, die vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit entstanden sind, aber erst nach deren Eintritt fällig werden, zu den übernahmefähigen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Soweit eine Nachforderung in einer Summe fällig wird, gehört sie im Fälligkeitsmonat zum tatsächlichen aktuellen Bedarf.
2. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn das einstige Mietverhältnis bei Fälligkeit der Nebenkostennachforderung nicht mehr bestanden hat (BSG Urteil vom 30. 3. 2017, B 14 AS 13/16 R).
3. Eine existenzrechtlich relevante Verknüpfung der Nebenkostennachforderung für die in der Vergangenheit bewohnte Wohnung mit dem aktuellen unterkunftsbezogenen Bedarf liegt u. a. dann vor, wenn dem Umzug eine Kostensenkungsaufforderung oder eine Umzugssicherung nicht vorausgegangen ist.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 19.07.2018 geändert. Der Bescheid vom 19.06.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2017 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter entsprechender Änderung der Bescheide vom 18.05.2017 und 02.06.2017 weitere 470,67 EUR für Mai 2017 zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Berufungsbeklagten zur Übernahme einer Betriebs- und Heizkostennachforderung für ein beendetes Mietverhältnis streitig.
Die am 00.00.1968 geborene Klägerin bezog bis zum 31.05.2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von der Stadt L. Sie lebte bis zu diesem Zeitpunkt allein in einer Mietwohnung in L. Die Kosten der Unterkunft und Heizung für diese Wohnung hatte die Stadt L als angemessen anerkannt und vollständig übernommen. Die Klägerin hatte an ihrem Wohnort soziale Probleme mit psychischen Auswirkungen. Nach Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung erkannte die Stadt L gegenüber dem Betreuer der Klägerin die grundsätzliche Notwendigkeit eines Wohnortwechsels an (E-Mail der Stadt L an den Betreuer der Klägerin vom 01.04.2015).
Am 29.02.2016 schloss die Klägerin einen Mietvertrag über eine Wohnung in F mit Mietbeginn zum 01.06.2016. Die Bruttokaltmiete für die neue Wohnung wurde mit 415 EUR vereinbart (345 EUR Grundmiete, 70 EUR Betriebskosten). Heizkosten fielen zunächst ab Juli 2016 monatlich iHv 95 EUR und ab August 2016 monatlich iHv 65 EUR an, die unmittelbar an die Stadtwerke F zu entrichten waren. Mit Schreiben vom 01.03.2016 kündigte die Klägerin ihr Mietverhältnis in L zum 31.05.2016. Einen Antrag auf Zusicherung für diesen Umzug lehnte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 16.03.2016 ab, da die Unterkunftskosten in der neuen Wohnung in F nicht angemessen seien. Nach den Richtlinien des Kreises F übersteige die Kaltmiete von 345 EUR den Mietrichtwert von 286,50 EUR um 58,50 EUR. Die Betriebskosten iHv 70 EUR seien angemessen. Mit separater E-Mail vom 23.03.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, bei einem Umzug ohne Zusicherung könnten nur die angemessenen Unterkunftskosten übernommen werden. Zudem würden keine Umzugskosten erstattet. Die neue Bruttokaltmiete übernahm die Beklagte ab dem 01.06.2016 nur iHv 383 EUR. Die Klägerin akzeptierte die reduzierte Übernahme der Unterkunftskosten und beantragte die Überweisung der vollen Miete an den Vermieter unter entsprechendem Rückgriff auf die Regelleistung. Die Kaution iHv 345 EUR entrichtete die Klägerin mittels Raten iHv 30 EUR monatlich an ihren Vermieter. Die Raten wurden auf ihren Wunsch ebenfalls von ihrem Regelbedarf einbehalten und von der Beklagten an den Vermieter weitergeleitet.
Unter den 08.05.2017 rechnete der Vermieter der Wohnung in L die Heiz- und Betriebskosten für die Zeit vom 01.01.2016 bis 31.05.2016 ab. Er stellte der Klägerin eine Nachzahlung iHv 470,67 EUR (111,59 EUR Betriebskosten/ 359,08 EUR Heizkosten), die binnen 14 Tagen auszugleichen war, in Rechnung.
Mit Bescheid vom 18.05.2017 bewilligte die Beklagte der Klägerin für Mai 2017 bis November 2017 Leistungen iHv monatlich 599 EUR (409 EUR Regelbedarf + 430 EUR KdU/H - 240 EUR bereinigtes Einkommen). Für Mai 2017 änderte die Beklagte die Bewilligung mit Bescheid vom 02.06.2017 auf 839 EUR (409 EUR Regelbedarf, 430 KdU/H), nachdem sie festgestellt hatte, dass der Klägerin in diesem Monat kein Arbeitseinkommen zugeflossen war.
Am 09.06.2017 beantragte die Klägerin die Übernahme der Forderung iHv 470,67 EUR aus der Nebenkostenabrechnung. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid 19.06.2017 ab. Den hiergegen fristgerecht eingereichten Widerspruch wies der Kreis L mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2017 zurück. Da sich die Abrechnung nicht auf die aktuelle Wohnung beziehe, sei der räumliche Lebensmittelpunkt nicht gef...