Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Gesellschafter-Geschäftsführer. Mehrheitsgesellschafter. Treuhandverhältnis. antizipierte Abtretung von Gesellschaftsanteilen im Falle eines treuhandvertragswidrigen Verhaltens des Treuhänders. Rechtsmachtverschiebung in der Gesellschafterversammlung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Orientierungssatz
Das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 16 Abs 1 GmbHG zeigt, dass nicht der Wechsel in der Rechtszuständigkeit für den Gesellschaftsanteil (hier: antizipierte Abtretung von Gesellschaftsanteilen im Falle eines treuhandvertragswidrigen Verhaltens) allein ausreicht, um die Änderung der Rechtsmacht in der Gesellschafterversammlung herbeizuführen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 14.09.2017 geändert. Die Klagen werden abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die Versicherungspflicht des Klägers zu 1) ab dem 01.12.2013 in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zu 2) in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Der 1958 geborene Kläger zu 1) und Herr S gründeten mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag (GesV) vom 23.10.2013 und Eintragung in das Handelsregister des Amtsgerichtes T (HRB 000) am 06.12.2013 die Klägerin zu 2), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), mit dem Unternehmensgegenstand Maschinenbau, insbesondere der Fertigung und Veräußerung von Windsichtern und Dosierbunkern, sowie der Vornahme aller Geschäfte, die dem Gesellschaftszweck dienen oder ihn zu fördern geeignet sind, § 2 GesV. Zum Geschäftsführer der Klägerin zu 2) wurde der Kläger zu 1) bestellt.
Nach § 3 GesV sind im Streitzeitraum am Stammkapital in Höhe von 25.000 EUR der Kläger zu 1) mit einem Anteil von 22.500 EUR (lfd. Nrn. 26-250; 90%) und Herr S mit einem Anteil in Höhe von 2.500 EUR (lfd. Nrn. 1-25; 10%) beteiligt. Die Beschlussfassung innerhalb der Gesellschaft erfolgt mit einfacher Mehrheit aller Stimmen, wobei das Stimmrecht einheitlich nach den Nennbeträgen der Geschäftsanteile ausgeübt wird, § 9 Abs. 2 HS. 1, 4 GesV. Nach § 9 Abs. 3 GesV beschließt die Gesellschafterversammlung auch über die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern mit einfacher Mehrheit. Die Änderung des Gesellschaftsvertrages bedarf einer Mehrheit von 75%, § 9 Abs. 2 HS. 1 GesV. Auf den Inhalt des GesV im Übrigen wird Bezug genommen. Eine Geschäftsordnung wurde nicht verabschiedet.
Ebenfalls am 23.10.2013 schlossen die beiden Gesellschafter der Klägerin zu 2) - der Kläger zu 1) als Treuhänder - sowie des Weiteren Herr L L und Herr C X, beide jeweils als Treugeber, einen gleichfalls notariell beurkundeten Treuhandvertrag, welcher nachfolgend in Auszügen seinem tatsächlichem Wortlaut gemäß wiedergegeben wird:
"I. Vorbemerkungen [ ...]. 2. Herr L L (nachfolgend "der Treugeber") ist bereit, von dem Treuhänder die Geschäftsanteile mit den lfd. Nrn. 26-175 im Nennbetrag von 15.000 EUR an der Gesellschaft (nachfolgend der "Geschäftsanteil") zu erwerben.
Herr C X (nachfolgend "der Treugeber") ist bereit, von dem Treuhänder die Geschäftsanteile mit den lfd. Nrn. 176-225 im Nennbetrag von 5.000 EUR an der Gesellschaft (nachfolgend der "Geschäftsanteil") zu erwerben.
Der Treugeber soll jedoch zunächst lediglich wirtschaftlicher Eigentümer des jeweiligen Geschäftsanteils werden, rechtlicher Eigentümer des jeweiligen Geschäftsanteils soll weiterhin jeder Treuhänder bleiben, der diese treuhänderisch für den Treugeber verwalten soll. [ ...].
II. Angebot und Abtretung; Übernahme der Treuhandschaft 1. Der Treuhänder bietet hiermit die Geschäftsanteile mit den lfd. Nrn. 26 - 175 im Nennbetrag von 15.000 EUR und die Geschäftsanteile mit den lfd. Nrn. 176-225 im Nennbetrag von 5.000 EUR mit allen Gewinnbezugsrechten für noch nicht zur Ausschüttung beschlossene Gewinne und allen sonstigen Nebenrechten an den dies annehmenden Treugeber zu den nachfolgenden Bedingungen an und tritt diese aufschiebend bedingt auf die vollständige Zahlung des Kaufpreises (ohne Verzugszinsen) und die Beendigung des Treuhandvertrages an den dies annehmenden Treugeber ab.
2. Als Gegenleistung erstatten Herr L L und Herr C X Herrn G L die von diesem geleisteten Einlagen. [ ...].
5. Der Treuhänder hält die Geschäftsanteile ab heutigem Tage treuhänderisch für den Treugeber auf dessen Rechnung und Gefahr.
III. Zurechnung der Beteiligung; Abtretung vermögensrechtliche Ansprüche 1. Im Außenverhältnis ist lediglich der Treuhänder zivilrechtlicher Inhaber des Geschäftsanteils; im Innenverhältnis und wirtschaftlich ist der Geschäftsanteil dem Treugeber zuzurechnen. Steuerrechtlich wird der Geschäftsanteil den Treugeber als wirtschaftlichem Eige...