Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderung darlehensweise bewilligter Leistungen der Grundsicherung - Verjährung

 

Orientierungssatz

1. Ein bestandskräftiger Bescheid kann nur noch unter den Voraussetzungen des § 40 SGB 2 i. V. m. § 44 SGB 10 zurückgenommen werden. Für die Rücknahme gilt eine Jahresfrist. Die Vollzugsregelung des § 44 Abs. 4 SGB 10 steht dann einer isolierten Rücknahme entgegen.

2. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß (BSG Urteil vom 23. 2. 2017, B 4 AS 57/17 R).

3. Hat der Grundsicherungsträger Leistungen des SGB 2 bewilligt, so ist die Rückzahlungspflicht des Darlehensnehmers der Darlehensgewährung immanent (BSG Urteil vom 6. 3. 1997, 9b RAr 7/90).

4. Ist der Rückforderungsbescheid des Grundsicherungsträgers unanfechtbar geworden, so beträgt die Verjährungsfrist nach § 52 Abs. 2 SGB 10 dreißig Jahre.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 17.03.2020; Aktenzeichen B 4 AS 47/20 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.10.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Verpflichtung zur Rückzahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II, die ihr darlehensweise gewährt worden sind.

Die im Oktober 1948 geborene Klägerin beantragte am 24.09.2009 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Sie gab an, gemeinsam mit ihrem getrennt lebenden Ehemann Eigentümerin eines in Italien gelegenen Hausgrundstückes mit einem Wert von ca. 250.000 bis 300.000 Euro zu sein. Mit Bescheid vom 13.10.2009 gewährte der Beklagte der Klägerin dem Grunde nach Grundsicherungsleistungen ab dem 24.09.2009 in noch zu benennender Höhe als Darlehen. Mit Bescheiden vom 13.10.2009 (Zeitraum 24.09.2009 - 28.02.2010), 22.02.2010 (März 2010) und 29.09.2010 (Zeitraum 01.10.2010 - 31.03.2011) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.03.2011 und 29.08.2011 gewährte der Beklagte der Klägerin unter Berufung auf §§ 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II, 328 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB III vorläufig Grundsicherungsleistungen. Auf Seite 2 der Bescheide findet sich folgender Zusatz:

"Ich bitte zu beachten, dass die Leistungen aufgrund ihres derzeit nicht verwertbaren Vermögens (Haus in Italien) gem. § 12 SGB II als Darlehen gewährt werden. In diesem Zusammenhang verweise ich auf den gesonderten Darlehnsbescheid vom 13.10.2009."

Mit Bescheid vom 24.02.2011 (Zeitraum 01.04.2011 - 30.09.2011) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.03.2011, 24.05.2011 und 29.08.2011 sowie dem Bescheid vom 29.08.2011 (Zeitraum 01.10.2011 - 31.03.2012) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.11.2011 und 02.12.2011 und dem Bescheid vom 05.03.2012 (Zeitraum 01.04.2012 - 30.09.2012), der mit Wirkung ab dem 01.05.2012 mit Aufhebungsbescheid vom 04.04.2012 aufgehoben wurde, gewährte der Beklagte der Klägerin Grundsicherungsleistungen als Darlehen in der Zeit vom 01.04.2011 bis 30.04.2012. Sämtliche Bescheide hatten die Überschrift "Darlehensbescheid" und wurden bestandskräftig.

Ab dem 01.05.2012 bezog die Klägerin laufend eine Rente wegen Alters.

Nach Beendigung des Leistungsbezugs im April 2012 bat die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 24.06.2012, ihr die Gesamtsumme des Darlehns, welches ihr von September 2009 bis April 2012 gewährt worden sei, mitzuteilen, da sie beabsichtige ein Insolvenzverfahren einzuleiten. Der Beklagte teilte ihr daraufhin mit, dass derzeit noch keine Bezifferung des Darlehns erfolgen könne. Es sei derzeit nicht bekannt, inwieweit das Veräußerungsverfahren hinsichtlich der Immobilie in Italien abgeschlossen sei. Die Klägerin teilte daraufhin mit, dass das Veräußerungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei.

Über das Vermögen der Klägerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts N vom 06.11.2012, ..., wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet, welches am 19.01.2016 durch Beschluss gemäß § 213 InsO eingestellt wurde. Der Beklagte meldete im Insolvenzverfahren keine Forderungen an. Eine Restschuldbefreiung erfolgte nicht.

Mit Bescheid vom 03.06.2016 forderte der Beklagte die Klägerin auf, einen Betrag i.H.v. 7.929,59 Euro zwecks Rückzahlung der Darlehen zu zahlen. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Daraufhin hob der Beklagte den Bescheid vom 04.10.2016 auf.

Mit zwei Mahnungen vom 15.05.2017 forderte die Bundesagentur für Arbeit die Klägerin auf, die Forderungen des Beklagten i.H.v. 10.497,22 EUR und 7.969,59 EUR, basierend auf dem Bescheid vom 14.03.2017 über die Darlehensbewilligung für die Zeit vom 24.09.2009 bis 30.04.2012, zu zahlen und setzte Mahngebühren fest.

Am 06.06.2017 beantragte die Klägerin beim Beklagten, festzustellen, dass sie nicht verpflichtet sei, die gewährten Grundsicherungsleistungen zu erstatten, hilfsweise die Darlehnsbescheide aufzuheben bzw. gewährte Leistungen in eine Beihilfe umzuwandeln.

Der Beklagte legte das Schreiben als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, gerichtet auf die Umwandlung der darlehensweise gewährten Grundsic...

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