Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Geschäftsführer-Gesellschafter einer GmbH
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Ist der Geschäftsführer einer GmbH mit 49 % an deren Kapital beteiligt, in deren Betrieb eingegliedert und gegenüber der Gesellschaft weisungsgebunden, verfügt er über keine eigene Betriebsstätte und hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen und bezieht er eine fest vereinbarte Vergütung, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
3. Dem widerspricht nicht, wenn er seine Arbeitszeit frei und eigenverantwortlich gestalten kann.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 6.3.2020 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.798,60 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die Versicherungspflicht des Beigeladenen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin sowie die entsprechende Nachforderung von Beiträgen und der Umlage UI für den Zeitraum vom 1.1.2013 bis 31.12.2016.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH, Gesellschaftsvertrag vom 17.07.2002 [im Folgenden: GV], Eintrag im Handelsregister des Amtsgerichts Aachen HRB 01 am 12.11.2002). Ihr Unternehmensgegenstand sind die Herstellung und der Vertrieb von Schmelzklebegeräten und Zubehör sowie verwandter Produkte (§ 2 GV). Das Stammkapital der Klägerin beträgt 60.000 Euro (§ 5 Nr. 1 GV). Hieran sind der Beigeladene und Herr W (im Folgenden: W) jeweils mit 29.400 Euro sowie Herr H (im Folgenden: H) mit 1.200 Euro beteiligt (§ 5 Nr. 2 GV). W hält seinen Geschäftsanteil an der Klägerin auf der Grundlage eines mit der R GmbH geschlossenen notariellen Treuhandvertrags. Geschäftsführer der Klägerin sind der Beigeladene und H. Rechte und Pflichten der Geschäftsführer ergeben sich gemäß § 14 Nr. 1 GV aus dem Gesetz, dem Gesellschaftsvertrag und den von den Gesellschaftern gegebenen Anweisungen. § 14 Nr. 2 GV enthält einen Katalog von Handlungen, für deren Vornahme die Geschäftsführer eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung benötigen. Nach § 16 Nr. 1 GV werden Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht das Gesetz oder der GV eine andere Mehrheit vorschreiben. Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen. Dabei gewähren je 50 Euro eine Stimme (§ 16 Nr. 2 GV).
Mit Bescheid vom 5.9.2002 stellte die NOVITAS Vereinigte BKK fest, dass es sich bei der Geschäftsführertätigkeit des H um eine selbstständige Tätigkeit handele, die in allen Zweigen der Sozialversicherung nicht versicherungspflichtig sei. Ein entsprechendes Statusfeststellungsverfahren in Bezug auf den Beigeladenen ist nicht durchgeführt worden.
Die Klägerin und der Beigeladene schlossen am 15.12.2006 einen Geschäftsführervertrag (GFV) mit Tätigkeitsbeginn am 1.1.2007. Hiernach hat der Geschäftsführer alle Geschäfte der GmbH mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nach Maßgabe der einschlägigen Gesetze, des Gesellschaftsvertrags, der Geschäftsordnung und der Gesellschafterbeschlüsse durchzuführen (§ 3 GFV). Er erhält ein monatliches Gehalt in Höhe von 1.000 Euro (§ 10 Nr. 1 GFV). Reisekosten werden erstattet (§ 10 Nr. 2 GFV). Es besteht Anspruch auf Erholungsurlaub von 30 Werktagen für das Kalenderjahr. Während des Urlaubs wird das Entgelt fortgezahlt (§ 11 GFV). Im Streitzeitraum wurde die Tätigkeit des Beigeladenen mit monatlich 1.500 Euro vergütet.
In der Zeit vom 23.1.2017 bis 29.11.2017 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Nach Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 3.4.2018 stellte sie mit Bescheid vom 9.8.2018 fest, dass der Beigeladene in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege. In der Kranken- und Pflegeversicherung bestehe Versicherungsfreiheit. Die sich aus der Prüfung ergebende Nachforderung betrage insgesamt 15.798,60 Euro. Der an der Klägerin mit 49% beteiligte Beigeladene sei bei ihr abhängig beschäftigt. Gesellschafterbeschlüsse würden mit einfacher Mehrheit gefasst. Der Beigelad...