Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Auffälligkeitsprüfung. Anwendung der Prüfverfahrensvereinbarung (juris: PrüfvVbg). Unwirksamkeit der Aufrechnung nach § 9 PrüfvVbg
Orientierungssatz
1. Eine Auffälligkeitsprüfung unterliegt im Gegensatz zur Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung des Krankenhauses der Anwendung der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c SGB 5 (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV) gemäß § 17c Abs 2 KHG (vgl BSG vom 25.10.2016 - B 1 KR 18/16 R).
2. Eine Aufrechnung nach § 9 PrüfvVbg ist unwirksam, wenn es an einer genauen Bezeichnung des Leistungsanspruchs des Krankenhauses, gegen den die Krankenkasse mit ihrem Erstattungsanspruch aufgerechnet haben will, fehlt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22.08.2017 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 830,23 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt die Zahlung eines Betrages in Höhe von 830,23 Euro.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus, in dem vom 13.05. bis 24.05.2016 der bei der Beklagten versicherte B (im Folgenden: Versicherter B.) stationär behandelt wurde. Hierfür stellte die Klägerin der Beklagten unter dem 24.05.2016 unter Zugrundelegung der "Diagnosis related groups" (DRG) "F73Z" 2.629,59 Euro in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung. Zugleich beauftragte sie den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung der Abrechnung. Der MDK wandte sich unter dem 14.06.2016 an die Klägerin und teilte mit, dass ein Auftrag zur Begutachtung der Behandlung des Versicherten B. nach § 275 Abs. 1 SGB V zu der Fragestellung vorliege, ob die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer in vollem Umfang medizinisch begründet gewesen sei. Dr. T, MDK, gelangte in der Stellungnahme vom 01.08.2016 zu dem Ergebnis, dass die Behandlung zwar nach der zutreffenden Fallpauschale abgerechnet worden sei, jedoch die notwendige Verweildauer überschritten worden sei; bei strafferer Durchführung der Diagnostik wäre die Entlassung des Versicherten bereits am 19.05.2016 möglich gewesen. Hieraus errechnete die Beklagte eine um 830,23 Euro geringere Krankenhausvergütung.
Mit Schreiben vom 03.08.2016 verlangte sie von der Klägerin die Erstattung dieses Betrages. Nachdem die Klägerin dieser Aufforderung nicht nachkam, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 07.09.2016 an, sie werde ihren Erstattungsanspruch aus dem Behandlungsfall des Versicherten B. in Höhe von 830,23 Euro aufrechnen; sie verweise hierzu auf das von ihrem Finanzbereich übermittelte Avis. Mit Avis-Schreiben vom 09.09.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe ihr 79.307,88 Euro überwiesen. In der beigefügten fünfseitigen Aufstellung finden sich Rechnungsdaten, Rechnungsnummern und Fallnummern sowie Geldbeträge, die mehr als 60 Behandlungsfälle von Versicherten der Beklagten bei der Klägerin betreffen. Einige dieser Geldbeträge weisen ein Minuszeichen aus, andere sind Positivbeträge. Die Saldierung der positiven und negativen Beträge ergibt den Zahlbetrag von 79.307,88 Euro. In dieser Aufstellung verbuchte die Beklagte den von ihr an die Klägerin ursprünglich bereits gezahlten Betrag aus dem Behandlungsfall des Versicherten B. in Höhe von 2.629,59 Euro als Minusbetrag sowie den von ihr für zutreffend gehaltenen Rechnungsbetrag in Höhe von 1.799,36 Euro als Positivbetrag, so dass die Vergütung für die Behandlung des Versicherten B. um 830,23 Euro gemindert wurde.
Die Klägerin hat am 25.04.2017 Klage vor dem Sozialgericht Aachen erhoben.
Zur Begründung hat sie vorgetragen: Sie könne die Zahlung weiterer 830,23 Euro beanspruchen, weil nach den in dem Zahlungsavis vom 27.05.2016 aufgeführten weiteren Behandlungsfällen ein solcher Anspruch bestehe. Die Aufrechnung durch die Beklagte genüge nicht den Vorgaben des § 9 Satz 2 der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c SGB V gemäß § 17c Absatz 2 KHG zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (in Kraft getreten am 01.09.2014 für Behandlungsfälle ab 01.01.2015 - im Folgenden: PrüfvV 2015), denn es fehle an einer wirksamen Aufrechnungserklärung. Unabhängig davon habe aber der Beklagten ein Rückerstattungsanspruch aus dem Behandlungsfall des Versicherten B. auch nicht zugestanden, weil die Verweildauer nicht durch die Ablauforganisation, sondern durch das Krankheitsbild des Versicherten bedingt gewesen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr 830,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.09.2016 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat entgegnet: Die von ihr vorgenommene Aufrechnung sei wirksam. Sie entspreche den Vorgaben des § 9 PrüfvV 2015.
Durch Urt...