Entscheidungsstichwort (Thema)
Erziehungsgeldanspruch. nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer. Staatenloser. Aufenthaltstitel. Erwerbstätigkeit. § 1 Abs 6 BErzGG idF vom 13.12.2006. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Zur Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs 6 Nr 3 Buchst b BErzGG idF vom 13.12.2006.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 31.03.2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Kosten haben sich die Beteiligten nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Erziehungsgeld und dabei insbesondere über die Verfassungsmäßigkeit von § 1 Abs. 6 BErzGG.
Die am 00.00.1980 in Beirut geborene Klägerin ist nach eigenen Angaben Kurdin aus dem Libanon und besitzt inzwischen einen Ausweis als Staatenlose. Sie reiste im Juli 1990 mit ihren Eltern aus dem Libanon in das Bundesgebiet ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigte. Ihre Eltern gaben zur Begründung an, sie seien aus dem Libanon vor dem Bürgerkrieg geflohen. Vor allem ihre Kinder hätten dort keine Zukunftsperspektive. Man würde sie wegen ihre kurdischen Volkszugehörigkeit nicht akzeptieren und benachteiligen. Konkret bedroht habe man die Familie aber nicht.
Die Asylanträge blieben erfolglos, weil Anhaltspunkte für eine politische Verfolgung nicht feststellbar waren, insbesondere nicht durch die Nichtgewährung der libanesischen Staatsangehörigkeit. Die Asylablehnung wurde rechtskräftig.
Während des Asylverfahrens verfügte die Klägerin über Aufenthaltsgestattungen. Danach erhielt sie Duldungen nach § 56 AuslG mit dem Vermerk "Arbeitsaufnahme nur in Verbindung mit einer gültigen Arbeitserlaubnis des Arbeitsamts". Der Versuch, für sie Paßersatzpapiere zu beschaffen, blieb erfolglos. Die Klägerin bezog Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Die Gewährung einer Aufenthaltsbefugnis gemäß §§ 30, 32 Ausländergesetz (AuslG) auf der Grundlage der Altfallregelung vom 19.11.1999 der Innenministerkonferenz der Länder für ausländische Familien mit langjährigem Aufenthalt wurde abgelehnt, weil der Lebensunterhalt der Familie der Klägerin durch Sozialhilfe gesichert wurde, sie selber erst nach dem maßgeblichen Stichtag eingereist war und die Familie keine Pässe bzw. Paßersatzpapiere besaß.
Am 24.10.2003 erteilte die zuständige Ausländerbehörde der Klägerin eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG mit dem Zusatz "Arbeitsaufnahme nur mit Zustimmung des zuständigen Arbeitsamts". Ab dem 25.11.2003 verfügte die Klägerin über eine unbefristete Arbeitsgenehmigung für eine berufliche Tätigkeit jeder Art.
Vom 21.02.2004 an arbeitete die Klägerin sozialversicherungspflichtig bei einer Schuhhandelsgesellschaft als Lagerarbeiterin. Diese Beschäftigung endete am 20.02.2005, weil die Befristung des Arbeitsvertrags ablief.
Danach bezog die Klägerin zunächst Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 10.05.2005 wurde die Arbeitslosengeldbewilligung aufgehoben, weil die Klägerin vom 10.05. bis 16.08.2005 Anspruch auf Mutterschaftsgeld hatte. Der Bescheid wies die Klägerin darauf hin, eine erneute Zahlung von Arbeitslosengeld könne nur erfolgen, wenn sie sich wieder arbeitslos melde. Vom 01.08.2005 an bezog die Klägerin laufend Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II.
Am 17.06.2005 gebar die Klägerin ihren Sohn X. Im November 2005 beantragte die Klägerin die Gewährung von Erziehungsgeld für das erste Lebensjahr des Kindes X. Dieser Antrag wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 05.12.2005 abgelehnt.
Am 09.01.2006 wurde der Klägerin eine bis zum 31.12.2006 befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG wegen Unmöglichkeit der Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen auf unabsehbare Zeit erteilt. Diese Aufenthaltserlaubnis enthielt den Zusatz "Unselbständige Erwerbstätigkeit gestattet". Sie wurde im Dezember 2006 um ein weiteres Jahr verlängert. Gleichfalls im Dezember 2006 erhielt die Klägerin einen Reiseausweis für Staatenlose.
Die Klägerin beantragte mit Blick auf ihren neuen Status im Januar 2007 erneut die Gewährung von Erziehungsgeld. Diese Antrag wurde mit Bescheid vom 16.01.2007 abgelehnt, weil die Klägerin nicht den erforderlichen Aufenthaltstitel besitze. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2007 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Die Klägerin hat am 26.06.2007 Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage hat sie vorgetragen, ihr sei für die Zeit ab dem 11.07.2006 bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres des Kindes X Erziehungsgeld zu gewähren. Sie sei staatenlos. Als Staatenlose könne sie sich auf die Verordnung EWG Nr. 1408/71 berufen. Im Übrigen stelle die gesetzliche Neuregelung des § 1 Abs. 6 BErzGG einen Verstoß gegen Art. 3 GG dar.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 31.03.2008 hat das Sozialgericht Münster das beklagte Land antragsgemäß verurteilt. Die Klägerin erfülle insbesondere die Voraussetzungen des des § 1 Abs. 6 Nr. 3 lit. b BErzGG. Nach dem ursprünglichen Geset...