Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss einer Anrechnung der einem Ratsmitglied gewährten pauschalen Aufwandsentschädigung als Einkommen bei der Bewilligung von Leistungen der Sozialhilfe

 

Orientierungssatz

1. Bei der Bewilligung von Leistungen der Sozialhilfe sind Leistungen, welche aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nach § 83 Abs. 1 SGB 12 nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient. Hierzu zählt u. a. die einem Stadtrat gewährte pauschale Aufwandsentschädigung sowie das Sitzungsgeld.

2. Die Leistungen der Sozialhilfe einerseits und die pauschale Aufwandsentschädigung andererseits dienen unterschiedlichen Zwecken, nämlich der Sicherung des Lebensunterhalts einerseits und der Abgeltung des durch die Mandatsausübung anfallenden Aufwands andererseits (BSG Urteil vom 18. 2. 2016, B 3 KS 1/15 R).

3. Damit ist die einem Ratsmitglied gewährte pauschale Aufwandsentschädigung bei den ihm bewilligten Leistungen der Sozialhilfe nach § 83 Abs. 1 SGB 12 nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 16.11.2018 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten auch im Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung einer Aufwandsentschädigung für Stadtratsmitglieder als Einkommen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII).

Der Kläger (*00.00.1949) bezieht eine Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Er war im streitgegenständlichen Zeitraum zudem Mitglied des Rates der beklagten Stadt. Als solcher erhielt er eine Entschädigung für Ratsmitglieder in Form einer pauschalen Aufwandsentschädigung sowie von Sitzungsgeldern.

Daneben bewilligte die Beklagte dem Kläger u.a. für die Zeit von Oktober 2014 bis November 2015 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Dabei berücksichtigte sie die Altersrente sowie - nach Absetzung eines erhöhten Grundfreibetrages und einer Arbeitsmittelpauschale - auch die pauschale Aufwandsentschädigung und das Sitzungsgeld als Einkommen (Bescheide vom 15.12.2014, 21.01.2015, 18.02.2015 und 20.03.2015, Teilabhilfebescheid vom 23.03.2015, Widerspruchsbescheid vom 16.03.2016).

Der Kläger hat hiergegen am 15.04.2016 Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben.

Er hat geltend gemacht, dass die Aufwandsentschädigung zweckbestimmt und daher nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei. Bei fehlendem Ausgleich der mit der Wahrnehmung seines Mandats verbundenen Erschwernisse sei eine grundsätzlich allen Einwohnern offenstehende ehrenamtliche Mitwirkung an der kommunalpolitischen Gestaltung und Verwaltung nicht mehr möglich. Werde die Aufwandsentschädigung als Einkommen berücksichtigt, beschränke ihn das in der Ausübung seiner politischen Betätigung und damit faktisch in seinem passiven Wahlrecht.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 15.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2016 in der Fassung der für den Zeitraum Oktober 2014 bis November 2015 ergangenen Änderungsbescheide sowie unter Abänderung des Bescheides vom 21.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2016 in der Fassung der für den Zeitraum Dezember 2015 bis November 2016 ergangenen Änderungsbescheide zu verurteilen, ihm weitere Leistungen nach dem SGB XII ohne Anrechnung der ihm als Mitglied des Rates der Beklagten gewährten pauschalen Aufwandsentschädigung als Einkommen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, der Bezug einer Aufwandsentschädigung für Ratsmitglieder werde über die Freibetragsregelung des § 82 Abs. 3 S. 4 SGB XII (i.d.F. des Ehrenamtsstärkungsgesetzes vom 21.03.2013, BGBl. I S. 556; fortan: a.F.) i.V.m. § 3 Nr. 12 Einkommensteuergesetz (EStG) privilegiert; das Gesetz räume der Behörde kein Ermessen bezüglich der Gewährung eines höheren Freibetrages als der darin vorgesehenen 200 Euro ein. Eine Privilegierung in Form einer vollständigen Nichtberücksichtigung entsprechender Einkünfte habe der Gesetzgeber nach dem Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens offensichtlich nicht gewollt.

Das SG hat den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen nach dem SGB XII ohne Anrechnung der dem Kläger als Mitglied des Rates gewährten pauschalen Aufwandsentschädigung zu gewähren (Urteil vom 16.11.2018). Das dem Kläger gewährte Sitzungsgeld sei (unter Absetzung des entsprechenden Freibetrages) dem Grunde nach als Einkommen zu berücksichtigen. Bei der pauschalen Aufwandsentschädigung dagegen handle es sich um eine zweckbestimmte Einnahme. Diese werde nach § 45 Abs. 5 Nr. 1 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) i.V.m. mit § 14 Abs. 2 der Hauptsatzung der Beklagten geleistet, mithin auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften. Ihr Sinn ...

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