Entscheidungsstichwort (Thema)
Renten- und Arbeitslosenversicherung. Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit bei einem in einem Steuerberatungsbüro als Bilanzbuchhalter mitarbeitendem Gesellschafter. Vertrauensschutz. Betriebsprüfungen
Orientierungssatz
1. Es ist von einem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen, wenn
ein Gesellschafter mit einem Anteil von 50 % am Kapital des Unternehmens in diesem als mitarbeitender Gesellschafter/Bilanzbuchhalter tätig und dabei an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden ist, eine feste monatliche Vergütung erhält sowie einen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall und auf bezahlten Urlaub hat.
2. Ein der Feststellung der Versicherungspflicht entgegenstehender Vertrauensschutz des Arbeitgebers nach Art 20 Abs 3 GG besteht nicht.
3. Ein Arbeitgeber kann eine Versicherungsfreiheit nicht daraus herleiten, dass die vorangegangenen Betriebsprüfungen keine Beanstandungen ergeben haben.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.5.2019 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens gem. § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in seiner Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter / Bilanzbuchhalter für die Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin sind gem. § 2 des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrags (GV) vom 12.2.1987 "die für Steuerberatungsgesellschaften gesetzlich und berufsrechtlich zulässigen Tätigkeiten". Das Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von 50.000 DM übernahmen der Steuerberater Herr L B und der Bilanzbuchhalter Herr N T(Beigeladener zu 1) jeweils in Höhe von 25.000 DM (§ 4 GV). § 8 Abs. 2 des GV sah vor, dass die Gesellschaft von Steuerberatern verantwortlich geführt werden müsse (§ 32 Abs. 3 Steuerberatungsgesetz - StBerG). Als Geschäftsführer und Prokuristen seien grundsätzlich Steuerberater zu bestellen (§ 50 Abs. 1 StBerG). Die Geschäftsführer würden von der Gesellschafterversammlung bestellt und abberufen (§ 8 Abs. 3 GV). Sei nur ein Geschäftsführer vorhanden, werde die Gesellschaft durch den Geschäftsführer vertreten (§ 9 Abs. 1 GV). Dessen Aufgaben, Rechte und Pflichten richteten sich in erster Linie nach dem GmbH-Gesetz (GmbHG). Im Übrigen habe der Geschäftsführer die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu befolgen, soweit dadurch die Eigenverantwortlichkeit des § 60 StBerG nicht berührt werde (§ 10 GV). Gesellschafterbeschlüsse seien mit einfacher Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen Stimmen zu fassen, soweit das Gesetz oder Vertrag nicht zwingend etwas anderes bestimmten. Je 100 DM eines Geschäftsanteils gewährten eine Stimme (§ 12 Abs. 2 und 3 GV).
Zum alleinigen Geschäftsführer wurde mit notarieller Beurkundung vom 12.2.1987 Herr L B bestellt und zwischen diesem und der Klägerin am 1.7.1987 ein Geschäftsführervertrag abgeschlossen. Der Vertrag wurde durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 23.12.1987 insoweit ergänzt, als die Einstellung von mitarbeitenden Gesellschaftern, nahestehende Personen von Gesellschaftern und ebenso die Kündigung von mitarbeitenden Gesellschaftern und die Kündigung von nahen Angehörigen von Gesellschaftern zu den über den Geschäftsbetrieb hinausgehenden Geschäften zähle, für die der Geschäftsführer nach Nr. 3 des Geschäftsführervertrags die vorherige Genehmigung der Gesellschafterversammlung einzuholen habe.
Ebenfalls am 1.7.1987 schloss die Klägerin mit dem Beigeladenen zu 1) einen Anstellungsvertrag (AV), mit dem er zu diesem Datum als Bilanzbuchhalter angestellt wurde. Sein Aufgabengebiet umfasse sämtliche Arbeiten, die in einem Steuerbüro anfielen (Nr. 1 AV). Vereinbart wurden eine Vergütung als monatliches Gehalt in Höhe von 2.500 DM, ferner Weihnachts- und Urlaubsgeld in jeweiliger Höhe eines Monatsgehalts und eine vom Gewinn abhängige Tantieme (Nr. 3 AV). Der Beigeladene zu 1) habe Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von 30 Tagen (Nr. 4 AV). Bei Dienstreisen würden ihm die tatsächlich entstandenen Aufwendungen vergütet (Nr. 5 AV). Mündliche Nebenabreden seien nicht getroffen. Änderungen und Ergänzungen des Vertrags bedürften zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (Nr. 6 AV).
Der AV wurde mit schriftlichen Vereinbarungen vom 15.4.1992 (Gewährung eines firmeneigenen PKWs), 29.12.1992 (Erhöhung der Vergütung), 30.12.1993 (insb. Erhöhung der Vergütung), 9.1.1997 (insb. Umwandlung der monatlichen Vergütungen in ein Jahresgehalt), 2.12.1999 (Erhöhung der Tanti...