Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung eines Hörschadens als berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit

 

Orientierungssatz

1. Erst ab einem Lärmspiegel von 90 Dezibel ist unter Zugrundelegung des sog. Königsteiner Merkblattes eine berufskrankheitsspezifische Gefährdung zur Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit anzunehmen.

2. Ohrgeräusche sind nicht spezifisch für eine Schwerhörigkeit durch Lärm. Eine nach dem Ende der Lärmbelastung am Arbeitsplatz aufgetretene Verschlimmerung des Hörschadens ist nicht berücksichtigungsfähig, weil eine Hörschädigung, die durch Lärmeinwirkung entstanden ist, nach Beendigung der Lärmeinwirkung nicht mehr fortschreiten kann.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 12.03.2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Verletztenrente wegen der Folgen der Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) (Lärmschwerhörigkeit).

Der 1929 geborene Kläger war ab 1947 zunächst auf der Schachtanlage G, F, und ab 1963 auf der Schachtanlage W, F, als Hauer beschäftigt. Ab Oktober 1965 bis zu seiner Abkehr aus dem Bergbau Ende Dezember 1965 war der Kläger freigestelltes Betriebsratsmitglied. Ab 1966 war der Kläger bei verschiedenen Unternehmen als Bauhelfer, zuletzt ab 1971 bei der X AG, beschäftigt. Seit 1987 bezieht der Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Aufgrund einer BK-Anzeige des HNO-Arztes Dr. I von Januar 1987 leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren ein. Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) schätzte den Beurteilungspegel für die Zeit bis Oktober 1965 auf 85 bis 90 db(A) ein. Dr. T schätzte in einem auf Veranlassung der Beklagten erstatteten HNO-ärztlichen Gutachten die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit unter 10 v.H. ein. Bei dem Kläger bestehe eine knapp geringgradige Hochtonstörung beiderseits. Eigenen Angaben zufolge sei der Kläger nach der Bergbauzeit am Arbeitsplatz keiner Lärmbelastung mehr ausgesetzt gewesen. Die beidseitigen Ohrgeräusche stünden mit einer erheblichen Herz-Kreislauffunktionsstörung im ursächlichen Zusammenhang. Mit Bescheid vom 17.11.1987 wurde hinsichtlich einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 festgestellt, dass bei dem Kläger zwar eine Hörstörung bestehe, wie sie nach langjähriger beruflicher Tätigkeit im Lärm auftreten könne, hierdurch aber eine meßbare Minderung der Erwerbsfähig nicht bedingt werde.

Mit Schreiben vom 30.11.1989 wurde erneut eine ärztliche Anzeige über das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 erstattet. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 28.12.1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.1990 erneut die Zahlung einer Rente ab. Im anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht Duisburg (Az S 4 BU 76/90) holte das Gericht ein Gutachten von Prof. Dr. Dr. H vom 26.11.1990 ein, der die MdE einschließlich der Ohrgeräusche ab dem 01.01.1987 mit 10 v.H. einschätzte. In der mündlichen Verhandlung vom 22.03.1991 nahm der Kläger die Klage zurück.

Seit dem 01.01.2000 bezieht der Kläger eine Verletztenrente wegen einer BK Nr. 4111 BKV. Am 04.03.2004 stellte der Kläger gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) hinsichtlich der BK Nr. 2301 einen Überprüfungsantrag. Dr. N diagnostizierte daraufhin in einem auf Veranlassung der Beklagten erstatteten HNO-ärztlichen Gutachten im Wesentlichen eine mittelgradige Schwerhörigkeit beiderseits und führte aus, dass von dieser Schwerhörigkeit nur eine knapp geringgradige Schwerhörigkeit lärmbedingt sei. Dies ergebe sich daraus, dass seit 1987 eine deutliche Zunahme der Schwerhörigkeit insgesamt zu verzeichnen sei. Der lärmbedingte Anteil der Schwerhörigkeit sei mit einer MdE von 10 v.H. und die MdE unter Berücksichtigung der Ohrgeräusche mit insgesamt 15 v.H. einzuschätzen.

In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vertrat der HNO-Arzt Dr. O die Auffassung, dass die Ohrgeräusche einen sogenannten Nachschaden darstellten, weil sie erst in den 80iger Jahren aufgetreten seien. Die Lärmexposition sei dagegen schon im Jahre 1965 beendet gewesen. Mit Bescheid vom 21.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2005 entschied die Beklagte, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 17.11.1987 und auf Entschädigung der Berufskrankheit Nr. 2301 habe, weil diese keine messbare MdE bedinge.

Im nachfolgenden Klageverfahren beim Sozialgericht Duisburg (Az S 26 KN 4/05 U) holte das Gericht ein HNO-ärztliches Gutachten von Prof. Dr. M ein. Er führte in seinem Gutachten vom 06.12.2005 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11.04.2006 aus, die MdE sei bezogen auf das Jahr 1965 mit weniger als 10 v.H. einzuschätzen. Die Ohrgeräusche hätten im Jahre 1965 noch kein wesentlich belästigendes Ausmaß erreicht. Ohrgeräusche in einem belästigenden Ausmaß könnten erst seit 1987 vermutet werden. Mit Urteil vom 12.12.2006 ...

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