Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Widerspruch und Klage. keine aufschiebende Wirkung. Festsetzung. Säumniszuschläge. unverschuldete Unterlassung der Anzeige einer Pflichtversicherung iS des § 186 Abs 11 S 4 SGB 5
Leitsatz (amtlich)
1. Widerspruch und Klage gegen die Festsetzung von Säumniszuschlägen haben keine aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs 2 Nr 1 SGG).
2. Zum Vorliegen einer "unverschuldeten" Unterlassung der Anzeige einer Pflichtversicherung iS des § 186 Abs 11 S 4 SGB 5.
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 3.7.2009 (Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes) abgeändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, über eine Stundung der Beitragsforderung nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden. Vor dieser Entscheidung hat die Antragsgegnerin Vollstreckungsmaßnahmen zu unterlassen. Sofern die Antragsgegnerin eine Stundung ablehnen sollte, hat die Antragstellerin die Möglichkeit der Ratenzahlung mit monatlicher Ratenhöhe von 25,-- €. Im Übrigen wird die Beschwerde gegen den Beschluss vom 3.7.2009 (Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes) zurückgewiesen.
2. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 3.7.2009 (Ablehnung der Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren) aufgehoben. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr B gewährt.
3. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin 2/3 der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz wegen Beitragsbescheiden, mit denen die Antragsgegnerin Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 1.4.2007 bis zum 2.11.2008 festgesetzt hat. Außerdem beantragt die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz wegen der Festsetzung von Säumniszuschlägen. Die Beschwerde richtet sich ferner gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Verfahren; außerdem begehrt die Antragstellerin PKH für das Beschwerdeverfahren.
Die 1983 geborene Antragstellerin, die 1993 aus K in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zugezogen ist, bezog bis zum 7.9.2006 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und war in dieser Zeit bei der Antragsgegnerin im Wege der Familienversicherung gesetzlich krankenversichert. Im Anschluss hieran bis zum 2.11.2008 war sie nicht erwerbstätig und bezog keine Leistungen nach dem SGB II mehr. Seit dem 3.11.2008 ist sie Schülerin einer Berufsfachschule und bezieht Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).
Am 12.11.2008 legte die Antragstellerin der Antragsgegnerin einen ausgefüllten Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vor. Durch Bescheide vom 4.2.2009 setzte die Antragsgegnerin den monatlichen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 1.4.2007 bis zum 31.12.2007 auf 134,34 € (Krankenversicherung 118,42 €; Pflegeversicherung 15,92 €) und für die Zeit vom 1.1.2008 bis 2.11.2008 auf 136,26 € (Krankenversicherung 120,10 €; Pflegeversicherung 16,16 €) fest. Sie legte hierbei unter Berücksichtigung der Mindestbemessungsgrundlage (§ 240 Abs 4 Satz 1 SGB V iVm § 57 Abs 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI -) beitragspflichtige Einnahmen von 816,67 € für die Zeit vom 1.4.2007 bis zum 31.12.2007 und 828,33 € für die Zeit ab dem 1.1.2008 zugrunde. Zur Begründung ihres Widerspruchs gegen die Beitragsfestsetzung machte die Antragstellerin geltend, der rückständige Beitragsanspruch sei verwirkt, zumal eine zeitnahe Beratung nicht erfolgt sei. Unter dem 30.4.2009 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, der rückständige Beitrag belaufe sich auf 2.589,11 € zuzüglich Säumniszuschlägen von 1.349,-- € und einer Mahngebühr von 1,-- €. Mit Bescheid vom 25.6.2009 stellte die Antragsgegnerin fest, wegen Nichtzahlung der Beiträge ruhe der Leistungsanspruch der Antragstellerin ab dem 2.7.2009 nach § 16 Abs 3a Satz 2 SGB V iVm § 16 Abs 2 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG); die Antragstellerin möge sich bei ihr, der Antragsgegnerin melden, wenn Leistungen zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich seien oder sie Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten benötige. Auch gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Widerspruch ein.
Am 3.6.2009 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) “Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung„ ihrer Widersprüche gegen die Bescheide vom 4.2.2009 gestellt und für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Durch Beschluss vom 3.7.2009 (den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zugestellt am 8.7.2009) hat das SG den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt und zur Begründung ausgef...