Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss bei Unterbringung in stationärer Einrichtung. Rehabilitationsmaßnahme zur Drogenentwöhnung im Anschluss an Inhaftierung bei Zurückstellung der Strafvollstreckung gem § 35 BtMG 1981. Einkommensberücksichtigung. kostenlose Verpflegung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Aufenthalt in einer stationären Rehabilitationsklinik zur Drogenentwöhnung im Anschluss an eine Inhaftierung bei Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG kann nicht einem Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung im Sinne von § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II gleichgestellt werden. Er schließt Leistungen nach dem SGB II daher nur dann aus, wenn er mindestens sechs Monate dauert (§ 7 Abs. 4 Satz 3 SGB II).
2. Die während der stationären Maßnahme gewährte Vollverpflegung ist ein geldwerter Vorteil, der bei der Leistungsberechnung als Einkommen zu berücksichtigen ist. Entsprechend den Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit ist die Vollverpflegung mit 35 % der vollen Regelleistung anzurechnen. Die Werte der - hier lediglich entsprechend anzuwendenden - Sozialversicherungsentgeltverordnung können nicht herangezogen werden, da diese offensichtlich die teuere Verpflegung außer Haus während der Ausübung einer Berufstätigkeit als Maßstab nehmen.
Orientierungssatz
1. Der Aufenthalt in einer stationären Rehabilitationsklinik zur Drogenentwöhnung im Anschluss an eine Inhaftierung bei Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 Abs 1 BtMG 1981 kann nicht einem Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung im Sinne von § 7 Abs 4 SGB 2 gleichgestellt werden.
2. Eine Zusammenrechnung der Aufenthaltszeit in der Justizvollzugsanstalt (JVA) mit der Zeit der stationären Rehabilitationsmaßnahme kommt nicht in Betracht. Nach der Neuregelung des § 7 Abs 4 SGB 2 idF vom 20.7.2006 schließt der Aufenthalt in einer JVA einen Leistungsanspruch nunmehr unabhängig von der Dauer der Inhaftierung aus und nur bei dem Aufenthalt im Krankenhaus oder einer Vorsorge bzw Rehabilitationseinrichtung stellt der Gesetzgeber darauf ab, ob der Aufenthalt nach der zu Beginn des Aufenthalts zu treffenden Prognoseentscheidung, voraussichtlich weniger als 6 Monate dauern wird.
3. Bei der kostenlosen Verpflegung eines nicht erwerbstätigen Leistungsberechtigten nach dem SGB 2 während eines stationären Aufenthaltes handelt es sich um Einnahmen in Geldeswert, die als Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 zu berücksichtigen sind.
4. Die während der stationären Maßnahme erhaltene kostenlose Verpflegung kann in Höhe von 35% der vollen Regelleistung angerechnet werden. Eine unmittelbare Anwendung des § 2 Abs 1 S 1 SvEV iVm § 2 Abs 4 S 1 AlgIIV kommt nicht in Betracht (vgl LSG Celle-Bremen vom 29.1.2007 - L 13 AS 14/06 ER).
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 12.04.2007 aufgehoben und die Beschwerdegegnerin verpflichtet, der Beschwerdeführerin vorläufig für die Zeit vom 26.03.2007 bis zum 23.07.2007, längstens jedoch bis zum Abschluss des Klageverfahrens S 13 AS 289/97, Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in Höhe von 130,00 € monatlich zu gewähren.
2. Die Beschwerdegegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin im Antrags- und Beschwerdeverfahren.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin begehrt von der Beschwerdegegnerin die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit einer stationären Rehabilitationsmaßnahme.
Die 1978 geborene Beschwerdeführerin, die bei ihren Eltern lebte, war bei einer Gebäudereinigungsfirma zunächst geringfügig beschäftigt und bezog vom 24.03.2005 bis zum 31.03.2006 für sich und ihre am 22.02.1997 geborene Tochter A ergänzend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 14.06.2006 hob die Beschwerdegegnerin ihre Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 01.10.2005 bis zum 28.02.2006 im Umfang von 467,88 € monatlich auf, nachdem sie erfahren hatte, dass die Beschwerdeführerin ihrer bisherigen Tätigkeit nunmehr in versicherungspflichtigem Umfang nachging. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Die versicherungspflichtige Beschäftigung wurde bis zum 31.05.2006 ausgeübt.
Vom 14.07.2006 bis zum 27.02.2007 befand sich die Beschwerdeführerin in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Z in Strafhaft. Am 27.02.2007 wurde die Vollstreckung der Strafe gemäß § 35 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zurückgestellt und sie wurde aus der JVA entlassen und in die Fachklinik A - Fachklinik für suchtkranke Frauen - zur Durchführung einer von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Rheinland-Pfalz bewilligten Rehabilitationsmaßnahme von 21 Wochen zur Drogenentwöhnung aufgenommen. Während dieser Zeit erhält sie von dem Sozialhilfeträger einen Barbetrag in Höhe von 93,50 € monatlich. Übergangsgeld nach § 20 Sechstes Buch Sozialgesetz...