Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Pflegeversicherung. Ausscheiden aus freiwilliger Krankenversicherung wegen Nichtzahlung von Beiträgen bei rechtswidrigem Beitragsbescheid. Bindungswirkung. Zuständigkeit. Rechtswidrigkeit. Beitragsbescheid
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Umfang der Bindungswirkung von Beitragsbescheiden.
2. Der Versicherte ist nicht gemäß § 191 S 1 Nr 3 SGB 5 aus der freiwilligen Mitgliedschaft bei der Krankenkasse ausgeschieden, wenn er auf einem rechtswidrigen Beitragsbescheid beruhende Beiträge nicht entrichtet hat, sofern die Rechtswidrigkeit in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fällt.
Orientierungssatz
Für Entscheidungen über die Beitragshöhe in der sozialen Pflegeversicherung ist die Pflegekasse zuständig.
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 14.7.2006 wie folgt abgeändert: Hinsichtlich des Bescheides vom 23.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.12.2005 wird die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit angeordnet, als mit diesem Bescheid höhere Beiträge als 109,24 € zur gesetzlichen Krankenversicherung für die Zeit ab 1.1.2004 festgesetzt wurden sowie eine Neufestsetzung des Beitrags in der sozialen Pflegeversicherung erfolgt ist. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 11.5.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.12.2005 wird angeordnet.
2. Im Wege einer einstweiligen Anordnung wird vorläufig festgestellt, dass der Antragsteller nicht zum 15.2.2006 aus der Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin ausgeschieden ist.
3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
4. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen Beitragsbescheide der Antragsgegnerin, in denen diese seine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung neu festgesetzt hat. Außerdem wendet er sich u.a. gegen eine von der Antragsgegnerin eingeleitete Zwangsvollstreckung wegen nicht gezahlter Beiträge sowie gegen die Feststellung der Antragsgegnerin, er sei wegen Nichtzahlung von Beiträgen zum 15.2.2006 aus der Versicherung bei dieser ausgeschieden.
Der 1954 geborene Antragsteller, der seit Dezember 2000 freiwilliges Mitglied der Antragsgegnerin war, bezieht seit Oktober 1994 wegen eines Arbeitsunfalls eine Verletztenrente der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, sowie ab Juli 2002 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von der (jetzigen) Deutschen Rentenversicherung Bund. Die Antragsgegnerin berechnete die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab Dezember 2000 ausgehend von der Mindestbemessungsgrundlage des § 240 Abs 4 Satz 1 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V). Sie erließ Beitragsbescheide vom 27.12.2000, 6.9.2001 und 13.11.2002. In dem folgenden Bescheid vom 20.1.2004 setzte sie ab dem 1.1.2004 einen Beitrag in der Krankenversicherung von 109,64 € monatlich und in der sozialen Pflegeversicherung von 13,68 € (insgesamt 123,32 €) monatlich fest. Sie legte in diesem Bescheid der Berechnung “Rente/Versorgungsbezüge/Arbeitseinkommen„ von 694,24 € (mit allgemeinem Beitragssatz von 13,8 %) und sonstige Einkünfte von 110,76 € (mit ermäßigtem Beitragssatz von 12,5 %) zugrunde.
Nachdem die Antragsgegnerin Kenntnis von dem Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente des Antragstellers aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Höhe 878,-- € monatlich) erhalten hatte, berechnete sie durch Bescheid vom 23.12.2004 die Beiträge für die Zeit ab 1.7.2003 neu (Beitragshöhe ab 1.7.2003 Krankenversicherung 109,76 € unter Berücksichtigung des ermäßigten Beitragssatzes von 12,5 %; Pflegeversicherung 14,92 € = insgesamt 124,68 € monatlich, ab 1.1.2004 Krankenversicherung 121,16 € unter Berücksichtigung des allgemeinen Beitragssatzes von 13,8 %; Pflegeversicherung 14,92 € = insgesamt 136,08 € monatlich); sie berücksichtigte hierbei als Einkommen 20 % des Rentenwertes der Unfallrente und ging davon aus, dass die Erwerbsunfähigkeitsrente im Zeitraum vom 1.7.2002 bis 30.6.2003 keine Auswirkungen auf die Beitragshöhe habe, weil sie zusammen mit den übrigen Einkünften die Mindestbemessungsgrenze nicht übersteige. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Widerspruch ein.
Nachdem die Antragsgegnerin zur Auffassung gelangt war, dass sie die Verletztenrente bei der Beitragsbemessung zu niedrig angerechnet habe, erließ sie unter dem 11.5.2005 einen weiteren Bescheid, in dem sie ausführte: Die Verletztenrente sei nur insoweit nicht als Einnahme zum Lebensunterhalt zu berücksichtigen, als sie bei gleicher Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) einem Beschädigten nach dem sozialen Entschädigungsrecht als Grundrente zu gewähren wäre. Nach § 45 Abs 1 und 2 Satz 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) könne ein rechtswidriger Verwaltungsakt für die Zukunft nur zurückgenommen werden, sofern der Beg...