Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenkasse. Beachtung der Wertmaßstäbe hinsichtlich der §§ 1 und 3 UWG im Bereich des Wettbewerbs. Werbeaussagen. Nichtverwendung von Studien hinsichtlich Förderung der Risikoselektion. Regelstreitwert bei wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten. Erlass einer einstweiligen Anordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Krankenkassen haben in ihrem Wettbewerb untereinander die Wertmaßstäbe der §§ 1, 3 UWG zu beachten. Werbeaussagen dürfen nicht irreführend, herabsetzend oder verunglimpfend sein.
2. Einen Grundsatz, dass Angaben in Werbeaussagen der Krankenkasse unentgeltlich oder zu allenfalls geringen Kosten nachprüfbar sein müssten, gibt es nicht.
3. Die Krankenkasse darf in ihren Werbeaussagen keine Studien verwenden, die geeignet sind, eine Risikoselektion zu fördern.
4. In wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten im vorläufigen Rechtsschutz vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist in der Regel der volle Regelstreitwert angemessen.
Orientierungssatz
Eine einstweilige Anordnung ist dann zu erlassen, wenn dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (vgl LSG Mainz vom 15.2.2005 - L 5 ER 5/05 KR).
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 29.9.2005 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Streitwert wird, auch für das erstinstanzliche Verfahren in Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Speyer vom 29.9.2005, auf 5.000,-- € festgesetzt.
Tatbestand
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Unterlassung einer vergleichenden Mitgliederwerbung durch die Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin verwendet auf ihrem Geschäftspapier einen farblich abgesetzten und durch einen quadratischen Rahmen hervorgehobenen Hinweis ("Button") auf eine von dem DPM-Team Marktforschung und Marketingberatung durchgeführte Versicherungsstudie zur Kundenzufriedenheitsmessung, wo es ua heißt: "Die Innungskrankenkassen Testsieger - 6 x Platz 1 von 8 Kategorien".
Am 16.9.2005 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Speyer einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Verwendung dieses Geschäftspapiers verstoße die Antragsgegnerin gegen geltendes Wettbewerbsrecht, indem sie dem unbefangenen Leser fälschlicherweise suggeriere, dass "die Innungskrankenkassen" Sieger eines repräsentativen Testes seien, der unter der Internetadresse www.dpm-team.de auf einfache Art und Weise recherchiert werden könne. Für den unbefangenen Leser lasse sich der tatsächliche Testsieger nicht einfach feststellen. Die einzelnen Testergebnisse seien unter der angegebenen Internetadresse nicht angegeben und nur gegen Entrichtung einer Schutzgebühr von 29,-- € inklusive MWSt erhältlich. Hinsichtlich der Gesamtzufriedenheit sei die Techniker-Krankenkasse auf Platz 1 aufgeführt. Die Versicherungsstudie sei nicht repräsentativ, da die Auswahl der Befragten nur mittels einer Registrierung über einer Internetadresse erfolgen könne und die in der Studie ausgewiesenen Versichertenanteile (zB IKK 4,4 %, AOK 16,4 %) nicht den tatsächlichen Versichertenstrukturen und der offiziellen Monatsstatistik über die Marktanteile der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (IKK 6,3 %; AOK 36,5 %) entsprächen. Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich erklärt, den Begriff "Testsieger" nicht mehr zu verwenden und insoweit eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.
Die Antragstellerin hat beim SG beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten zu unterlassen, 1. im geschäftlichen Verkehr zu behaupten oder auf sonstige Weise den Eindruck zu erwecken, die Innungskrankenkassen hätten in einer Versicherungsstudie 2005, Kundenzufriedenheitsmessung, von DPM-Team-Marktforschung und Marketingberatung 01/2005 in 8 Kategorien sechsmal den ersten Platz belegt, 2. im geschäftlichen Verkehr die Versicherungsstudie 2005, Kundenzufriedenheitsmessung von DPM-Team-Marktforschung und Marketingberatung 1/2005 zu verwenden.
Das Sozialgericht (SG) hat durch Beschluss vom 29.9.2005 die Antragsgegnerin einstweilen verpflichtet, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 50.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Versicherungsstudie 2005, Kundenzufriedenheitsmessung von DPM-Team Marktforschung und Marketingberatung 01/2005 zu verwenden; bei der Verwendung des allgemeinen Geschäftspapiers gelte dies erst ab dem 10.10.2005. Im Übrigen hat das SG den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das von der Antragsgegnerin verwendete Geschäftspapier genüge den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen auch d...