Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. kein Leistungsanspruch wegen stationärer Behandlung einer Liposuktion. Tatbestandsmerkmal des allgemein anerkannten Stands der medizinischen Erkenntnisse
Leitsatz (amtlich)
1. Eine stationäre Krankenhausbehandlung zur Liposuktion bei Lipödem unterfällt nicht der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung.
2. Die Liposuktion bei Lipödem entspricht derzeit nicht dem auch für stationäre Krankenhausbehandlungen maßgeblichen allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 02.09.2013 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer stationären Liposuktion.
Die 1980 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin beantragte gestützt auf ein Attest der Ärztin für Plastische und Handchirurgie Dr. D vom 06.11.2010 im November 2010 eine Fettabsaugung beider Oberschenkel und des Gesäßes, die nach Auffassung von Dr. D aufgrund des hohen Risikos einer Thromboembolie stationär mit mindestens drei Operationen durchgeführt werden müsse. Bei idiopathischem Lymphödem seit dem 16. Lebensjahr mit kontinuierlicher ärztlicher Behandlung bestehe eine klinisch altersuntypische Fettansammlung im Bereich beider Beine und des Gesäßes im Sinne eines Lipödems. Der Arzt im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Dr. K führte im Gutachten vom 28.12.2010 aus, bei vorhandener ausgeprägter Adipositas mit einem BMI von knapp 37 kg/m2 ergebe sich anhand der Fotodokumentation kein entstellender körperlicher Befund. Eine Indikation zu einer Fettabsaugung liege nicht vor. Angezeigt seien vielmehr eine konsequente Gewichtsreduktion sowie eine konservative Behandlung des Lymphödems mit regelmäßiger Lymphdrainage und Kompressionstherapie. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.2011 den Leistungsantrag ab. Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin ein Attest ihrer Hausärztin G vom 28.02.2011 vor, die ausführte, bei der Klägerin bestehe seit dem 16. Lebensjahr ein ideopathisches chronisches Lymphödem. Sie erhalte seit dem 18. Lebensjahr immer wieder Lymphdrainagen, wodurch sich eine leichte Besserung habe erzielen lassen. Seit etwa einem dreiviertel Jahr könne jedoch schmerzbedingt eine Lymphdrainage nicht mehr durchgeführt werden. Im MDK-Gutachten vom 19.04.2011 verblieb Dr. G bei der bisherigen Beurteilung, dass eine entsprechende Gewichtsreduktion maßgeblich und vorrangig sei und zudem eine Bewegungstherapie sowie konservative Behandlung bei Verdacht auf Lipolymphödem der Beine angezeigt sei. Zudem handele es sich bei der Liposuktion beim Lipolymphödem um keine Behandlungsmethode, deren medizinischer Nutzen bisher an einer ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen gezeigt worden sei. Die Durchführung einer Liposuktion der Oberschenkel und des Gesäßes, wie hier beabsichtigt, erfordere nicht die besonderen Mittel eines Krankenhauses. Sie werde von den meisten Anwendern auch ambulant erbracht. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2011 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Klägerin zurück.
Am 22.07.2011 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Speyer (SG) erhoben. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, von ihren behandelnden Ärzten sei in Anbetracht der jahrelangen ergebnislos gebliebenen Lymphdrainagebehandlungen sowie Kompressionsbehandlungen und Bandagierung des Bewegungsapparats eine stationäre Fettabsaugung der Oberschenkel und des Gesäßes dringend empfohlen worden. Nur hierdurch könne ein verbesserter Lymphabfluss erreicht werden.
Das SG hat Befundberichte von Dr. D vom 10.11.2011, die die medizinische Notwendigkeit für eine Liposuktion an beiden Oberschenkeln sowie am Gesäß verneint hat, Dr. G vom 28.11.2011, die die Notwendigkeit einer - grundsätzlich ambulant durchführbaren - Liposuktion bestätigt hat, und des Gefäßchirurgen Dr. E vom 22.12.2011, der zur Notwendigkeit einer Liposuktion auf Dr. D verwiesen hat, eingeholt. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG von Dr. G, M, ein chirurgisches Gutachten vom 16.08.2012 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei der Klägerin liege ein schwer adipöser Ernährungszustand vor. Darüber hinaus finde sich eine disproportionierte Volumenvermehrung an allen vier körpernahen Extremitäten (Oberarme, Oberschenkel) sowie dem Gesäß. Auffällig sei eine asymmetrische Volumenvermehrung zu Gunsten der linken Körperseite. Im Zusammenschluss mit den anamnestischen Daten liege die Vermutung nahe, dass sich auf dem Boden eines seit 1996 bekannten, primären Lymphödems und einer sekundären, linksbetonten Lymphabflussstörung nach Tumor- und Lymphknoten-Exstirpation in der linken Leiste (1999) eine zentral betonte, körpernahe Lipohypertrophie der Extremitäten entwickelt habe. Unter konservativer Entstauungs- und Kompressions-Therapie habe s...