Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. nachträgliche Korrektur der Kodierung. vierjährige Verjährungsfrist. Grundsatz von Treu und Glauben. Ausnahmefall der Verwirkung. offensichtlicher Kodierfehler. versehentlich unterbliebene Korrektur
Orientierungssatz
1. Ein Anspruch des Krankenhauses auf Vergütung der Leistungen im Fall der nachträglichen Korrektur der Kodierung muss grundsätzlich innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist geltend gemacht werden.
2. Das Rechtsinstitut der Verwirkung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB passt als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich nicht. Es findet nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (vgl zuletzt BSG vom 21.4.2015 - B 1 KR 11/15 R = SozR 4-2500 § 69 Nr 10).
3. Ein Ausnahmefall in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn die Nachforderung eines Krankenhauses nach vorbehaltlos erteilter Schlussrechnung außerhalb des laufenden Haushaltsjahres der Krankenkasse erfolgt und es sich um einen offensichtlichen Kodierfehler handelt, dessen Korrektur versehentlich unterblieben ist.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 27.04.2015 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch der klagenden Krankenhausträgerin auf weitere Vergütung einer Krankenhausbehandlung in Höhe von 5.138,22 €.
In dem nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhaus der Klägerin wurde der bei der Beklagten versicherte R S (Versicherter) in der Zeit vom 03.01.2010 bis 11.01.2010 stationär behandelt. Am 02.01.2010 war der Versicherte gestürzt und hatte sich eine Unterarmfraktur links zugezogen. Der Versicherte wurde aufgrund gastrointestinaler Beschwerden in der Inneren Abteilung des Krankenhauses aufgenommen, diagnostiziert wurden eine Refluxösophagitis II sowie eine Corpus- und Antrumgastritis . Am 06.01.2010 erfolgte in der Chirurgischen Abteilung eine Osteosynthese. Mit Rechnung vom 11.03.2010 forderte die Klägerin eine Vergütung in Höhe von 1.474,19 € und legte dabei die DRG (Diagnosis Related Groups) G67D (Ösophagitis, Gastroenteritis und verschiedene Erkrankungen der Verdauungsorgane ohne komplexe oder komplizierende Diagnose/Dialyse/komplexen Eingriff Alter ) 2 Jahre ohne äußere schwere CC oder gastroint . Blutung oder Ulcuserkrankung , ohne äußere schwere oder schwere CC Alter ( 75 Jahre, außer bei Para-/Tetraplegie ) zugrunde. Die Beklagte beglich die Rechnung am 06.04.2010. Am 16.05.2011 stornierte die Klägerin die Rechnung vom 11.03.2010 und forderte für die Behandlung des Versicherten in der Zeit vom 03.01.2010 bis 11.01.2010 einen Betrag von 6.612,41 € auf der Grundlage der DRG 901D (ausgedehnte OR-Prozedur ohne Bezug zur Hauptdiagnose ohne komplizierende Konstellation, ohne Strahlentherapie, ohne komplexe OR-Prozedur, ohne andere Eingriffe an Kopf und Wirbelsäule, Alter ) 0 Jahre, außer bei Para-/Tetraplegie ). Sie brachte die Prozeduren 5-794.k6 (offene Reposition einer Mehrfragment-Fraktur im Sehnenbereich eines langen Röhrenknochens mit Osteosyntheseverfahren) und 5-786.g (Osteosyntheseverfahren durch intramedullären Draht ) in Ansatz. Mit Schreiben vom 25.05.2011 lehnte die Beklagte die Zahlung mit der Begründung ab, die korrigierende Nachforderung sei erst nach Ablauf von mehr als sechs Wochen erfolgt und entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen. Die Klägerin führte in seinem Schreiben vom 18.04.2012 aus, es handele sich um einen offensichtlichen Kodierfehler . Die Beklagte wies in ihrem Schreiben vom 02.05.2012 darauf hin, dass die Nachkodierung nicht zeitnah und außerhalb des Haushaltsjahrs erfolgt sei.
Am 19.05.2014 hat die Klägerin beim Sozialgericht Koblenz Klage erhoben. Der Beklagte hat unter Hinweis auf das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 24.06.2014 (S 3 KR 518/11) die Einrede der Verjährung erhoben. Durch Urteil vom 27.04.2015 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 5.138,22 € nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 25.05.2011 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch sei § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und der Anlage 1 Teil A. Der Klägerin stehe für die Behandlung des Versicherten in der Zeit vom 03.01.2010 bis 11.01.2010 bei zutreffender und zwischen den Beteiligten nicht streitiger Kodierung der OPS 5-794.k6 und 5-786.g der Betrag von 6.612,41 € zu. Die Klägerin sei nicht wegen der Schlussrechnung vom 11.03.2010 an der Nachberechnung und Nachforderung gehindert. Der Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung enthalte weder eine Regelung, die die Nachber...