Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. künstliche Befruchtung. untere Altersgrenze. Verfassungsmäßigkeit. Überschreitung durch beide Ehepartner
Leitsatz (amtlich)
1. Die in § 27a Abs 3 S 1 SGB 5 festgesetzte untere Altersgrenze von 25 Jahren für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung ist verfassungsgemäß.
2. Die untere Altersgrenze muss von beiden Versicherten überschritten sein; unterschreitet nur ein Ehepartner die untere Altersgrenze, so schließt dies auch einen Anspruch des anderen Ehepartners aus, weil nur so der Zweck der Altersgrenze erreicht werden kann.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 25.9.2006 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die klagenden Eheleute Anspruch auf Erstattung der Kosten von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung haben, obwohl die Ehefrau bei Durchführung der Maßnahmen das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.
Der 1975 geborene Kläger zu 2 ist bei der Beklagten pflichtversichert, die 1983 geborene Klägerin zu 1 ist die Ehefrau des Klägers zu 2 und bei der Beklagten familienversichert. Der Kläger leidet an einer Fertilitätsstörung in Form eines Oligo-Astheno-Theratozoospermie-(OAT)-Syndroms 3. Grades. Ob vor Behandlungsbeginn eine Rücksprache zwischen den behandelnden Ärzten und der Beklagten stattgefunden hat, lässt sich nicht mehr aufklären. Die Genehmigung eines Behandlungsplans durch die Beklagte liegt nicht vor. Von September 2004 bis April 2005 ließen die Kläger Maßnahmen der künstlichen Befruchtung durchführen. Nach Angaben der Kläger wurde die Behandlung privatärztlich abgerechnet, weil die Beklagte gegenüber der Arztpraxis die Leistungspflicht der Krankenkasse verneint habe, da die Klägerin das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Im April 2005 beantragten die Kläger bei der Beklagten die Erstattung der entstandenen Kosten. Sie legten privatärztliche Rezepte und nach den Bestimmungen der Gebührenordnung für Ärzte erstellte privatärztliche Rechnungen für die Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Höhe von insgesamt 6.457,23 € vor, von denen ein Rezept über 34,96 € den Kläger betraf, die übrigen Rezepte und Rechnungen betrafen Behandlungen der Klägerin. Mit Bescheid vom 6.5.2005 und Widerspruchsbescheid vom 29.9.2005, den Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt am 1.10.2005, lehnte die Beklagte die Kostenerstattung ab, weil die Klägerin das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Die hiergegen am 1.11.2005 erhobene Klage hat das Sozialgericht Koblenz mit Urteil vom 25.9.2006 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des als Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommenden § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) seien nicht erfüllt, weil die Beklagte die Gewährung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung als Sachleistung nicht zu Unrecht abgelehnt habe. Ein entsprechender Sachleistungsanspruch nach § 27a SGB V habe nicht bestanden, weil die Klägerin zum Zeitpunkt der Durchführung der Befruchtungsmaßnahmen das gesetzlich vorgeschriebene Mindestalter von 25 Jahren noch nicht erreicht gehabt habe. Die gesetzliche Regelung sei nicht verfassungswidrig.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 16.11.2006 zugestellte Urteil haben die Kläger am Montag, den 18.12.2006 Berufung eingelegt. Sie tragen vor, die Beklagte habe die Kosten zu erstatten, da sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Soweit § 27a SGB V für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung eine untere Altersgrenze der Versicherten von 25 Jahren und eine Erstattung von lediglich 50 v.H. der Kosten vorsehe, sei die Regelung wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1, 3 und Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip verfassungswidrig. Außerdem verstießen diese Regelungen gegen das Solidarprinzip des § 1 SGB V, das Sachleistungsprinzip, das Beitrags- oder Versicherungsprinzip
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 25.9.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 6.5.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.9.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen die Kosten für die Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Höhe von 6.457,23 € in voller Höhe zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und verweist zur Verfassungsmäßigkeit der Regelungen auf die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 15/1525, S. 83) sowie auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG 25.5.2007 - B 1 KR 10/06 R) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 28.2.2007 - 1 BvL 5/03).
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündliche...